bookmark_borderMartin Suter: Allmen und Herr Weynfeldt

Der Kunstdetektiv Allmen trifft den Kunstsammler Weynfeldt — zwei von Martin Suters malerischsten Figuren in einer Geschichte, das verspricht allen Fans des gepflegt-humorvollen Stils des Schweizer Autors einen ganz besonderen Lesegenuss. Das Versprechen wird zum Teil auch eingelöst, zumindest was die Freude betrifft, mit der sich Martin Suter für seine beiden Figuren subtil anspielungsreiche Szenen ausdenkt, in denen er sie aneinander Gefallen finden lässt. Die beiden, wie könnte es auch anders sein, mögen sich und verstehen sich ziemlich schnell auch ohne große Worte. Es sind andere Dinge, die für sie sprechen, winzige Details in ihrem gegenseitig geschätzten stilsicheren und doch bescheidenen Auftreten, und natürlich die gemeinsame Liebe zu den Wohlgeschmäcken geistiger Getränke, der bevorzugt italienischen, aber wie in einem Understatement auch mal schweizerisch-gutbürgerlichen Küche, und natürlich zur Kunst.

Die Kunst stellt dann auch den Auftakt zum neuen Fall von Allmens Kunstdetektei dar, wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass das Verschwinden eines nicht mit hundertprozentiger Sicherheit Picasso zuzuschreibenden Kleinods aus Weynfeldts Wohnung weit mehr die Freundschaftsgeschichte von Allmen und Weynfeld als die eher belanglose Krimihandlung motiviert. Ich habe mich beim Lesen schon gefragt, warum Weynfeld so an diesem kleinen Bild liegt, dessen kunsthistorische Besonderheit, dessen Bedeutung für Weynfeldt ja auch bei fast jedem Gespräch mit seinen zwangsläufig verdächtigten Freunden andeutungsreich hervorgehoben wird. Eine Erklärung bekommt man aber nicht, nicht einmal andeutungsweise. Und auch die Rolle Lorenas, der dame fatale, die schon in Der letzte Weynfeldt entscheidend in die Kunstintrigen verwickelt war, bleibt hier ein wenig hinter der Erwartung zurück; ihr Auftritt liegt seit den ersten Seiten in der Luft, um dann ziemlich spät, aber erstaunlich unspektakulär und eher kursorisch abgewickelt zu werden.

Wenn auch der Fall eher nebensächlich wirkt, was ein bisschen schade ist, zumal ja sogar ein Mord in Weynfeldts direktem Umfeld passiert, und auch die Geschichte des Bildes Potential zu einer ungewöhnlichen Kunstkrimihandlung hätte, wird in dieser Hommage an die so viele Leser verführende Romanwelt des Autors das Nebensächliche zur eigentlichen Hauptrolle aufgewertet. So kann man sich auf viele kleine humorvolle, augenzwinkernde Szenen freuen, in denen vor allem Carlos und María, die Angestellten und Teilhaber von Allmen, Raum zur Entfaltung ihrer bezaubernden Charaktere bekommen. Carlos hat inzwischen übrigens so viel Geld beiseitegelegt, dass er, in einer Diskretion, die der seines Herrn in nichts nachsteht, der deutlich vermögendere und vor allem liquidere Partner bei Allmen International Inquiries ist. Überhaupt kostet Martin Suter die subtile Vertauschung der Rollen, das Wechselspiel von Schein und Sein, Wahrheit und Lüge wieder nach Herzenslust aus, so dass der Roman auch eine Satire über die Macht des Geldes ist, die allenfalls durch die des Stils gebrochen werden kann, wenn man sie mit der Geschicklichkeit eines Allmen zu kombinieren versteht. Der sich hier übrigens noch das ein odere andere Detail von Weynfeldt abschaut, wie die berühmte Olive im Martini, zu der hier weiter nichts gesagt werden muss.

Also: eine vergnügliche Lektüre für Suterfans, Neueinsteiger sollten aber vielleicht lieber direkt zu Der letzte Weynfeldt greifen, um Martin Suters Gespür nicht nur für Stilfragen, sondern auch für spannend konstruierte Intrigen in der Welt der Kunst und des Geldes kennenzulernen.

Bibliographische Angaben
Martin Suter: Allmen und Herr Weynfeldt, Diogenes 2024
ISBN: 9783257072792

Bildquelle
Martin Suter, Allmen und Herr Weynfeldt
© 2024 Diogenes Verlag AG, Zürich

bookmark_borderBernhard Jaumann: Turm der blauen Pferde und Caravaggios Schatten

Inzwischen ist schon längst der dritte Band der Krimireihe um die Münchner Kunstdetekei von Schleewitz erschienen (Banksy und der blinde Fleck, vgl. Rezension vom 9.3.2023), höchste Zeit also, eine Besprechung der ersten beiden Fälle hier noch nachzuholen. Denn seit dem ersten Band, Der Turm der blauen Pferde, bin ich ganz begeistert, dass eine neue Krimireihe sich in kurzweiliger und trotz der ernsthaft recherchierten und verhandelten Themen auch in amüsanter Form mit Kunst beschäftigt. Man denkt natürlich sofort an Martin Suters treffliche Allmen-Reihe, doch unterscheidet sich das Milieu, in dem Jaumanns Kunstdetektive ihre Recherchen anstellen, schon sehr von den mondänen Zürcher Kreisen, in denen sich das eigenwillige Herr-Diener-Gespann von Allmen und Carlos bewegt. Zwar führt auch Rupert von Schleewitz, der Inhaber der Münchner Kunstdetektei, ein Adelsprädikat im Namen, doch wohl eher nur der Form halber und als augenzwinkernde Reminszenz des bayerischen an den Schweizer Autor.

Im Turm der blauen Pferde ermitteln von Schleewitz und seine Kollegen in München und im oberbayerischen Land. Ihr Auftrag führt sie weit zurück in die Untiefen der deutschen Geschichte, die auf den verschlungenen Wegen der Vertuschung bis in die Gegenwart reichen, wo sie unter dem Erscheinungsbild der Provenienzforschung nun doch noch ans Licht der empörten Öffentlichkeit gelangen. In den Wirren des zweiten Weltkrieges hatte ein oberbayerischer Bauernjunge in einem Tunnel ein Gemälde entdeckt, das ihn vom ersten Augenblick an faszinierte und in dessen Bann er sein Leben lang gefangen bleiben wird. Eben dieses Gemälde taucht nun im München des 21. Jahrhunderts plötzlich wieder auf — doch ist es auch das Original oder eine ziemlich gelungene Fälschung? Um diese Frage entsteht ein aufregendes Verwirrspiel, das Bernhard Jaumann in einer spannenden, bis zuletzt überraschenden Krimihandlung in Szene setzt.

Der zweite Fall, Caravaggios Schatten, lässt die Detektive ermittlungstechnisch zwischen Potsdam und München pendeln. Ein ehemaliger Schulfreund aus dem Internat überredet Rupert von Schleewitz, gemeinsam mit ihm eine Ausstellung in der Gemäldegalerie von Schloss Sanssouci zu besuchen, wo er wie aus heiterem Himmel, aber gezielt mit einem plötzlich gezückten Messer auf das Gemälde Der ungläubige Thomas von Caravaggio einsticht. Als das Bild kurz darauf zur Restauration mit einem Sicherheitstransport aus dem Museum gebracht wird, wird es gestohlen. Ein Komplott von Kunsträubern, ein abgekartetes Spiel, in das der Bilderstürmer und frühere Schulkamerad nicht ohne Hintergedanken ausgerechnet den Inhaber einer Kunstdetektei hineinzuziehen versucht? Oder handelt es sich um einen privaten Rachefeldzug, der weit in die Schulzeit der beiden zurückreicht? Und welche Rolle spielt darin ihr gemeinsamer Kunstlehrer von damals und die Gerüchte, die es um ihn gab?

Wie im ersten Band lässt Jaumann auch in Caravaggios Schatten wieder verschiedene Akteure einer von vielen unterschiedlichen Leidenschaften und Interessen angetriebenen Kunstszene auftreten, und wieder steht auch diesmal ein Gemälde im Zentrum der Handlung, das nicht bloß ein blasser Aufhänger für eine im Kunstmilieu situierte Intrige ist, sondern auch detailliert beschrieben und wesentlich in die Krimihandlung integriert wird. Die Figuren, die einem im ersten Band ans Herz gewachsen sind, die Mitarbeiter der Kunstdetektei von Schleewitz, werden auch im zweiten Band mit einem liebevollen Schmunzeln für ihre ganz eigenen Persönlichkeiten weiter begleitet und gestaltet, und machen einen wichtigen Grund dafür aus, dass man sich von diesen Kunstkrimis auch so gut unterhalten fühlt. Neben dem schon vorgestellten Rupert von Schleewitz ist der Familienmensch Max Müller, Vater zweier Töchter, vor allem zuständig für die Recherchearbeit im Hintergrund; dabei wird er immer wieder aufgerieben von Loyalitätskonflikten, in die ihn die kleinen und größeren Dramen, die sich zuhause abspielen, auf der einen Seite und das geringe Verständnis auf der anderen Seite stürzen, das seine beiden jungen und ungebundenen Kollegen für seine heimischen Sorgen und Nöte aufbringen. Eine schillernde Figur, die diesmal auch direkt in die Krimihandlung involviert wird, ist der Vater von Ruperts und Max‘ Kollegin Klara Ivanović, ein alternder und äußerst eigenwilliger Performancekünstler, dessen Name sicher nicht zufällig an die serbische Künstlerin Marina Abramović erinnert. Bernhard Jaumann schreibt humorvolle Kunstkrimis, in denen die Kunst wirklich die Hauptrolle spielt — ich bin gespannt, welches Thema aus der vielgestaltigen Welt der Kunst und der Künstler er in seinem vierten Band aufgreift!

Bibliographische Angaben
Bernhard Jaumann: Der Turm der blauen Pferde, Galiani 2021
ISBN: 9783462001488
&
Bernhard Jaumann: Caravaggios Schatten, Galiani 2021
ISBN: 9783869711973

Bildquelle
Bernhard Jaumann, Der Turm der blauen Pferde & ders., Caravaggios Schatten
© 2021 Verlag Galiani Berlin bei Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co KG, Köln

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