Inzwischen ist schon längst der dritte Band der Krimireihe um die Münchner Kunstdetekei von Schleewitz erschienen (Banksy und der blinde Fleck, vgl. Rezension vom 9.3.2023), höchste Zeit also, eine Besprechung der ersten beiden Fälle hier noch nachzuholen. Denn seit dem ersten Band, Der Turm der blauen Pferde, bin ich ganz begeistert, dass eine neue Krimireihe sich in kurzweiliger und trotz der ernsthaft recherchierten und verhandelten Themen auch in amüsanter Form mit Kunst beschäftigt. Man denkt natürlich sofort an Martin Suters treffliche Allmen-Reihe, doch unterscheidet sich das Milieu, in dem Jaumanns Kunstdetektive ihre Recherchen anstellen, schon sehr von den mondänen Zürcher Kreisen, in denen sich das eigenwillige Herr-Diener-Gespann von Allmen und Carlos bewegt. Zwar führt auch Rupert von Schleewitz, der Inhaber der Münchner Kunstdetektei, ein Adelsprädikat im Namen, doch wohl eher nur der Form halber und als augenzwinkernde Reminszenz des bayerischen an den Schweizer Autor.
Im Turm der blauen Pferde ermitteln von Schleewitz und seine Kollegen in München und im oberbayerischen Land. Ihr Auftrag führt sie weit zurück in die Untiefen der deutschen Geschichte, die auf den verschlungenen Wegen der Vertuschung bis in die Gegenwart reichen, wo sie unter dem Erscheinungsbild der Provenienzforschung nun doch noch ans Licht der empörten Öffentlichkeit gelangen. In den Wirren des zweiten Weltkrieges hatte ein oberbayerischer Bauernjunge in einem Tunnel ein Gemälde entdeckt, das ihn vom ersten Augenblick an faszinierte und in dessen Bann er sein Leben lang gefangen bleiben wird. Eben dieses Gemälde taucht nun im München des 21. Jahrhunderts plötzlich wieder auf — doch ist es auch das Original oder eine ziemlich gelungene Fälschung? Um diese Frage entsteht ein aufregendes Verwirrspiel, das Bernhard Jaumann in einer spannenden, bis zuletzt überraschenden Krimihandlung in Szene setzt.
Der zweite Fall, Caravaggios Schatten, lässt die Detektive ermittlungstechnisch zwischen Potsdam und München pendeln. Ein ehemaliger Schulfreund aus dem Internat überredet Rupert von Schleewitz, gemeinsam mit ihm eine Ausstellung in der Gemäldegalerie von Schloss Sanssouci zu besuchen, wo er wie aus heiterem Himmel, aber gezielt mit einem plötzlich gezückten Messer auf das Gemälde Der ungläubige Thomas von Caravaggio einsticht. Als das Bild kurz darauf zur Restauration mit einem Sicherheitstransport aus dem Museum gebracht wird, wird es gestohlen. Ein Komplott von Kunsträubern, ein abgekartetes Spiel, in das der Bilderstürmer und frühere Schulkamerad nicht ohne Hintergedanken ausgerechnet den Inhaber einer Kunstdetektei hineinzuziehen versucht? Oder handelt es sich um einen privaten Rachefeldzug, der weit in die Schulzeit der beiden zurückreicht? Und welche Rolle spielt darin ihr gemeinsamer Kunstlehrer von damals und die Gerüchte, die es um ihn gab?
Wie im ersten Band lässt Jaumann auch in Caravaggios Schatten wieder verschiedene Akteure einer von vielen unterschiedlichen Leidenschaften und Interessen angetriebenen Kunstszene auftreten, und wieder steht auch diesmal ein Gemälde im Zentrum der Handlung, das nicht bloß ein blasser Aufhänger für eine im Kunstmilieu situierte Intrige ist, sondern auch detailliert beschrieben und wesentlich in die Krimihandlung integriert wird. Die Figuren, die einem im ersten Band ans Herz gewachsen sind, die Mitarbeiter der Kunstdetektei von Schleewitz, werden auch im zweiten Band mit einem liebevollen Schmunzeln für ihre ganz eigenen Persönlichkeiten weiter begleitet und gestaltet, und machen einen wichtigen Grund dafür aus, dass man sich von diesen Kunstkrimis auch so gut unterhalten fühlt. Neben dem schon vorgestellten Rupert von Schleewitz ist der Familienmensch Max Müller, Vater zweier Töchter, vor allem zuständig für die Recherchearbeit im Hintergrund; dabei wird er immer wieder aufgerieben von Loyalitätskonflikten, in die ihn die kleinen und größeren Dramen, die sich zuhause abspielen, auf der einen Seite und das geringe Verständnis auf der anderen Seite stürzen, das seine beiden jungen und ungebundenen Kollegen für seine heimischen Sorgen und Nöte aufbringen. Eine schillernde Figur, die diesmal auch direkt in die Krimihandlung involviert wird, ist der Vater von Ruperts und Max‘ Kollegin Klara Ivanović, ein alternder und äußerst eigenwilliger Performancekünstler, dessen Name sicher nicht zufällig an die serbische Künstlerin Marina Abramović erinnert. Bernhard Jaumann schreibt humorvolle Kunstkrimis, in denen die Kunst wirklich die Hauptrolle spielt — ich bin gespannt, welches Thema aus der vielgestaltigen Welt der Kunst und der Künstler er in seinem vierten Band aufgreift!
Bibliographische Angaben
Bernhard Jaumann: Der Turm der blauen Pferde, Galiani 2021
ISBN: 9783462001488
&
Bernhard Jaumann: Caravaggios Schatten, Galiani 2021
ISBN: 9783869711973
Bildquelle
Bernhard Jaumann, Der Turm der blauen Pferde & ders., Caravaggios Schatten
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