bookmark_borderAlia Trabucco Zerán: Mein Name ist Estela

Ja, sie hat einen Namen und sie kann sprechen, sie kann sogar erstaunlich gut formulieren, reflektiert und scharfsichtig, sich ihrer selbst bewusst und manchmal fast poetisch empfindsam, wovon man auf den folgenden 240 Seiten, von denen seit den ersten Zeilen eine so faszinierende wie erschütternde Spannung ausgeht, Zeuge wird. Erstaunlich gut? Ja, denn einem einfachen Hausmädchen, das selbst als Tochter einer Arbeiterin und Hausangestellten aufgewachsen ist und vor sieben Jahren von einer Insel aus dem Süden Chiles nach Santiago de Chile gekommen ist, traut niemand eine solche Sprache zu. Genauso wie niemand auf die Idee kommt, dass auch sie eine Person ist, mit einem Namen und einer Geschichte.

Die Erzähl- oder Sprechsituation der Ich-Erzählerin Estela, der die chilenische Schriftstellerin Alia Trabucco Zerán eine literarische Stimme verleiht, ist eine existentielle. Nicht zufällig ist dem Roman wohl ein Zitat von Albert Camus vorangestellt: „Die Frage ist nur, wer wen säubert.“ (Camus, Der Fall) Die existentielle Situation ist in Estelas chilenischer Wirklichkeit untrennbar von der sozialen Situation, in die man geboren wird und die mit der existentiellen Macht des Todes im Bunde zu stehen scheint. Estela erhebt ihre Stimme, doch sie tut das in einem merkwürdig echolosen Raum, einem Gefängnis, einem Verhörzimmer. Sie wendet sich an die, die hinter dem Spiegel stehen, und mit denen die Vertreter von Justiz und Polizei genauso gemeint sein können wie wir Leser. Man erfährt gleich zu Beginn, dass sich eine Tragödie ereignet hat, das siebenjährige Mädchen der wohlhabenden Familie, für die Estela als Hausangestellte und Kindermädchen arbeitet, ist zu Tode gekommen, wie, das enthält uns die Erzählerin noch einige Zeit vor. Ebenso wie den tatsächlichen Grund, warum sie in diesem verspiegelten Verhörzimmer sitzt. So wird natürlich die Neugier des Lesers erst recht geschürt und zugleich der Finger auf die Wunde seiner von sozialen Vorurteilen angetriebenen Sensationslust gelegt. Wie kam es zu dem Tod, wie ist Estela darin verwickelt, ist sie die Schuldige?

Die Frage nach Schuld und Verantwortung entwickelt sich, ebenso wie der Hintergrund der Tragödie, die sich jedoch mehr und mehr als Tragödie des ausgebeuteten Dienstmädchens erweist, in den zahlreichen „Abschweifungen“ der Erzählerin, die von ihr jedesmal so vehement bestritten wie hervorgehoben werden und in denen sie erzählt, wie sie die sieben Jahre bei dieser an Geld reichen und Mitmenschlichkeit armen Familie erlebt hat. Wenn sie dort auch keiner expliziten physischen Übergriffigkeit ausgesetzt ist, so leidet sie doch täglich mehr unter der gleichwohl auf Ausbeutung beruhenden sozialen Hierarchie, die von Beginn an von Verachtung, Desinteresse und Arroganz geprägt ist und in die sich eine Erniedrigung nach der anderen einschleichen konnte. Allein das völlige Fehlen von Intimität, eines Rückzugortes, der seinen Namen auch verdient, verwandelt Estela in einen allzeit benutzbaren Haushaltsgegenstand. Umgekehrt wird sie selbst ganz selbstverständlich und ungefragt mit der Intimsphäre der Familie konfrontiert, sie reinigt die Unterwäsche, wischt Erbrochenes auf, sieht den Eltern ungewollt beim Sex zu und wird gezwungen nächtlichen Geständnissen des Hausherrn zuzuhören. In den Augen ihrer Dienstherren ist Estela keine Person, sondern Untergebene, Nana (Kindermädchen), Sklavin, nicht mehr wert als die streunende Straßenhündin, die Estela heimlich zum Füttern hereinlässt, so wie sie, als einzige Möglichkeit der Empörung, immer wieder subtile Akte des Ungehorsams unternimmt, um sich ihrer selbst, ihres Daseins noch irgendwie zu vergewissern. Doch schließlich bricht der Tod, die existentielle Macht schlechthin, gleich dreifach über Estelas Welt herein. Auf die absolute Sprachlosigkeit folgt der längst überfällige Bruch, ein völliges Zurückgeworfensein auf sich selbst, der Ausbruch aus der Gefangenschaft und der Beginn einer neuen. Estela nimmt am Ende an einer Demonstration gegen die soziale Ungerechtigkeit teil. Das Private, das für ein Dienstmädchen nie privat war, hat begonnen, politisch zu werden.

Wie in ihrem ersten Roman, Die Differenz, über die Verschwundenen der Pinochet-Diktatur, arbeitet Alia Trabucco Zerán auch in ihrem neuen Roman die politische und soziale Wirklichkeit ihres Heimatlandes literarisch auf. Sie findet eine Sprache, die die soziale Ungerechtigkeit und existentielle Not der ungehörten oder unterdrückten Stimmen erfahrbar macht. Mein Name ist Estela ist die sich ins Herz bohrende Anklage einer Angeklagten, die in ihren so genannten Abschweifungen gerade das Essentielle auf den Punkt bringt, die ans Licht holt, was zu oft und lange vergessen wurde. Dass es unmenschlich ist, einem Menschen, egal, welcher Herkunft und welcher sozialen Stellung, die eigene Geschichte abzusprechen.

Bibliographische Angaben
Alia Trabucco Zerán: Mein Name ist Estela, Hanser Berlin 2024
Aus dem chilenischen Spanisch von Benjamin Loy
ISBN: 9783446277274

Bildquelle
Alia Trabucco Zerán, Mein Name ist Estela
© 2024 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München

bookmark_borderMartin Suter: Allmen und Herr Weynfeldt

Der Kunstdetektiv Allmen trifft den Kunstsammler Weynfeldt — zwei von Martin Suters malerischsten Figuren in einer Geschichte, das verspricht allen Fans des gepflegt-humorvollen Stils des Schweizer Autors einen ganz besonderen Lesegenuss. Das Versprechen wird zum Teil auch eingelöst, zumindest was die Freude betrifft, mit der sich Martin Suter für seine beiden Figuren subtil anspielungsreiche Szenen ausdenkt, in denen er sie aneinander Gefallen finden lässt. Die beiden, wie könnte es auch anders sein, mögen sich und verstehen sich ziemlich schnell auch ohne große Worte. Es sind andere Dinge, die für sie sprechen, winzige Details in ihrem gegenseitig geschätzten stilsicheren und doch bescheidenen Auftreten, und natürlich die gemeinsame Liebe zu den Wohlgeschmäcken geistiger Getränke, der bevorzugt italienischen, aber wie in einem Understatement auch mal schweizerisch-gutbürgerlichen Küche, und natürlich zur Kunst.

Die Kunst stellt dann auch den Auftakt zum neuen Fall von Allmens Kunstdetektei dar, wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass das Verschwinden eines nicht mit hundertprozentiger Sicherheit Picasso zuzuschreibenden Kleinods aus Weynfeldts Wohnung weit mehr die Freundschaftsgeschichte von Allmen und Weynfeld als die eher belanglose Krimihandlung motiviert. Ich habe mich beim Lesen schon gefragt, warum Weynfeld so an diesem kleinen Bild liegt, dessen kunsthistorische Besonderheit, dessen Bedeutung für Weynfeldt ja auch bei fast jedem Gespräch mit seinen zwangsläufig verdächtigten Freunden andeutungsreich hervorgehoben wird. Eine Erklärung bekommt man aber nicht, nicht einmal andeutungsweise. Und auch die Rolle Lorenas, der dame fatale, die schon in Der letzte Weynfeldt entscheidend in die Kunstintrigen verwickelt war, bleibt hier ein wenig hinter der Erwartung zurück; ihr Auftritt liegt seit den ersten Seiten in der Luft, um dann ziemlich spät, aber erstaunlich unspektakulär und eher kursorisch abgewickelt zu werden.

Wenn auch der Fall eher nebensächlich wirkt, was ein bisschen schade ist, zumal ja sogar ein Mord in Weynfeldts direktem Umfeld passiert, und auch die Geschichte des Bildes Potential zu einer ungewöhnlichen Kunstkrimihandlung hätte, wird in dieser Hommage an die so viele Leser verführende Romanwelt des Autors das Nebensächliche zur eigentlichen Hauptrolle aufgewertet. So kann man sich auf viele kleine humorvolle, augenzwinkernde Szenen freuen, in denen vor allem Carlos und María, die Angestellten und Teilhaber von Allmen, Raum zur Entfaltung ihrer bezaubernden Charaktere bekommen. Carlos hat inzwischen übrigens so viel Geld beiseitegelegt, dass er, in einer Diskretion, die der seines Herrn in nichts nachsteht, der deutlich vermögendere und vor allem liquidere Partner bei Allmen International Inquiries ist. Überhaupt kostet Martin Suter die subtile Vertauschung der Rollen, das Wechselspiel von Schein und Sein, Wahrheit und Lüge wieder nach Herzenslust aus, so dass der Roman auch eine Satire über die Macht des Geldes ist, die allenfalls durch die des Stils gebrochen werden kann, wenn man sie mit der Geschicklichkeit eines Allmen zu kombinieren versteht. Der sich hier übrigens noch das ein odere andere Detail von Weynfeldt abschaut, wie die berühmte Olive im Martini, zu der hier weiter nichts gesagt werden muss.

Also: eine vergnügliche Lektüre für Suterfans, Neueinsteiger sollten aber vielleicht lieber direkt zu Der letzte Weynfeldt greifen, um Martin Suters Gespür nicht nur für Stilfragen, sondern auch für spannend konstruierte Intrigen in der Welt der Kunst und des Geldes kennenzulernen.

Bibliographische Angaben
Martin Suter: Allmen und Herr Weynfeldt, Diogenes 2024
ISBN: 9783257072792

Bildquelle
Martin Suter, Allmen und Herr Weynfeldt
© 2024 Diogenes Verlag AG, Zürich

bookmark_borderKatie Milford: Greenglass House

Ein altes Schmugglerhaus mit Buntglasfenstern an der Küste, das nur mit der Standseilbahn oder über eine endlos lange und steile Treppe zu erreichen ist, und, wenn der Winter besonders viel Schnee mit sich bringt, erst einmal gar nicht wieder verlassen werden kann. Hier verbringt der 12jährige Milo, der chinesische Adoptivsohn der Pines, die das alte Haus als Gasthaus und Hotel betreiben, seine Weihnachtsferien, voll Vorfreude auf ein paar ruhige Tage nur mit seinen Eltern. Doch auf einmal taucht wie aus dem Nichts im Schneechaos eine Gestalt nach der anderen auf, eine schrulliger als die andere, eine bunte Schar an Gästen, die natürlich alle beherbergt werden müssen. Milo ist erst genervt und enttäuscht, und auch ziemlich nervös, wie immer, wenn die Dinge um ihn herum aus der Ordnung, aus dem Gleichgewicht geraten. Und diese seltsamen und auch recht zanklustigen unerwünschten Gäste, die die Ruhe stören, scheinen wirklich alle etwas im Schilde zu führen. Zum Glück ist da auch Meddy, die Tochter der Köchin, die Milo mitreißt in ein aufregendes Spiel, in das sie die unerwartete Situation verwandeln. Sie schlüpfen in neue Rollen, die es auch Milo leichter machen, sich auf das Ungewohnte einzulassen, und beginnen, in dem geheimnisumwobenen Haus mit seinen nicht weniger geheimnisumwobenen neuen Gästen ihre eigenen Nachforschungen anzustellen. Das alte Haus wird auf diese Weise selbst zum Protagonisten, hat es doch eine spannende Geschichte, der Milo und Meddy hinter Staub und geheimen Türen nach und nach auf die Spur kommen.

Greenglass Haus, das 2014 im englischen Original erschienen ist, als erster Band einer Reihe, deren Folgebände jedoch noch nicht ins Deutsche übersetzt sind, wurde 2015 mit dem renommierten Edgar Allan Poe Award in der Kategorie Jugendbuch ausgezeichnet. Das Buch sticht auch wirklich aus der Menge an Kinder- und Jugendbüchern heraus, es ist ein Füllhorn der Fantasie, eine Feier des Spielerischen, des Rätsels und des Erzählens an sich. Je weiter die Erzählung fortschreitet, desto verschachtelter wird sie, ein Abbild des alten Schmugglerhotels mit seinen bunten Fenstern und geheimen Ecken. Während sich auch die freiwillig oder unfreiwillig heran- und eingeschneiten Gäste schließlich in bester literarischer Tradition im Wohnzimmer Geschichten erzählen, verschwinden Gegenstände und tauchen wieder auf, entflammen Misstrauen und Streit, werden Dinge vertuscht und enthüllt, kommen sich Erzählende und Zuhörende allmählich näher, öffnen sich ein Stück für die anderen. Dem heterogenen Erzählen entspricht die bunte Stilmischung der verschiedenen eingestreuten Geschichten, von denen nie ganz klar ist, inwieweit sie wahr oder erfunden sind. Auch insgesamt grenzt das Erzählte an Fantastik, mit dieser Grenze wird immerzu gespielt, ohne dass der Roman der bei Jugendbüchern inzwischen so verbreiteten Fantasy zuzuordnen ist. Denn es wird klar: Die Wirklichkeit ist spannend und unglaublich genug, Greenglass Haus ist eine Feier des Lebens, der Familie und der Freundschaft und zugleich eine überraschend konstruierte Abenteuer- und Detektivgeschichte mit außergewöhnlichen Charakteren.

Bibliographische Angaben
Katie Milford: Greenglass Haus, Freies Geistesleben 2021
Aus dem Englischen von Alexandra Ernst
ISBN: 9783772527807

Bildquelle
Katie Milford, Greenglass Haus
© 2024 Verlag Freies Geistesleben und Urachhaus GmbH, Stuttgart

bookmark_borderMiguel Bonnefoy: Héritage

Das große Thema dieses so leichtfüßig erzählten Romans ist die Entwurzelung und der fortwährende Versuch einer mehrere Generationen umfassenden Familie, neue Wurzeln zu schlagen. Gleich auf den ersten Seiten wird geschildert, wie ein Franzose aus dem Jura Ende des 19. Jahrhunderts nach Chile auswandert, eine Weinrebe im Gepäck, die er vor einem in Frankreich wütenden Schädling retten will. Es entfaltet sich eine Familiensaga, die über ein Jahrhundert und von Frankreich bis Südamerika reicht, von der Erde, aus der die Reben gerissen werden und in der sie sich neu verwurzeln sollen, bis hoch in die Lüfte, in das Reich der Flugzeugpionierinnen und der Vogelvolieren, um ein paar der wiederkehrenden Motive dieses so besonderen Romans zu nennen.

Natürlich hat man bei einer solchen Geschichte Gabriel García Marquez 100 Jahre Einsamkeit im Hinterkopf, und es findet sich auch der ein oder andere Anklang an dieses großartige Werk des Magischen Realismus. Stilistisch verbindet Miguel Bonnefoy, der 1986, als Sohn einer venezolanischen Diplomatin und eines chilenischen Aktivisten, der unter Pinochet gefoltert wurde, in Paris geboren wurde, Traditionen der lateinamerikanischen und der französischen Literatur auf eine ganz eigene Weise miteinander. Er schreibt auf Französisch und verwebt einen augenzwinkernden Magischen Realismus mit der französischen Tradition des Realismus, wie er sich im 19. Jahrhundert herausgebildet hat. Das Denken und Verhalten seiner Figuren etwa erklärt sich aus einer Kombination des Einflusses der sozialen Umstände und der genetischen Herkunft, sie sind ebenso geprägt von ihrer Umwelt wie von ihrem Elternhaus.

Trotz der teilweise sehr schweren Schicksalsschläge, die — von den Schützengräben des Ersten Weltkriegs bis in die Folterkammern der chilenischen Diktatur — mit der Macht der historischen Willkür daherkommen, lässt sich Miguel Bonnefoy erzählerisch nicht von seinem Stoff überwältigen. Er verfällt weder dem Pathos noch einer ohnmächtigen Betroffenheit, genauso wenig wie übrigens auch seine mit großer Humanität gezeichneten Figuren, sondern führt mit einer mitunter absurd-komischen Symbolik und einer literarischen Schöpfungskraft, die sich gerade in den kleinen Details offenbart und immer wieder überraschende Wendungen bereithält, girlandenhaft durch die Geschichte der Migrationsbewegungen einer so außergewöhnlichen wie exemplarischen Familie.

Bibliographische Angaben
Miguel Bonnefoy: Héritage, Rivages 2020
ISBN: 9782743650940

Bildquelle
Miguel Bonnefoy, Héritage
© 2024, Les Editions Payot & Rivages (SAS), Paris

bookmark_borderEva Menasse: Dunkelblum

Eva Menasse erweckt in ihrem Roman eine ganze österreichische Kleinstadt zum Leben, mitsamt ihren vielen jungen und alten, neugierigen und verdrängenden, zugezogenen und geflüchteten, überlebenden und verschollenen, versehrten und toten Bewohnern, deren Biographien sie im Laufe des mit vielen verschlungenen Fäden gestrickten Romans auf eine geschickt mit Leerstellen spielende, andeutungsreiche Weise und mit viel erzählerischer Anschaulichkeit der Charaktere und Dialoge genauso puzzleartig zusammensetzt wie die verschiedenen historischen Schichten und zeitlichen Ebenen.

Dunkelblum ist der Name dieses fiktiven Städtchens an der ländlichen Grenze zu Ungarn, die sich, als die Handlung zunächst im Jahr 1989 einsetzt, für eine kurze Zeit öffnet. Der ländlich-idyllische, aber für Eindringlinge absolut nicht aufgeschlossene Ort wird auf einmal zum Schauplatz einer Konfrontation mit der mühevoll verdrängten Vergangenheit, als auch noch eine Gruppe Studenten aus der Großstadt und ein geheimnisvoller Fremder nicht nur die Friedhofserde aufzuwirbeln beginnen.

Die Herausforderung, die sich die Autorin mit ihrem Roman stellt, liegt darin, einem dunklen und erst spät aufgearbeiteten Kapitel der österreichischen Vergangenheit eine literarische Sprache zu verleihen, die entlarven will, ohne zu verurteilen, aber auch ohne zu bagatellisieren, um in tiefere Schichten menschlichen Verhaltens vorzudringen, die Beweg- oder Unterlassungsgründe der Täter zu verstehen, ohne die Opfer konturlos werden zu lassen. Das ist ein gewagtes Unterfangen, da mit der Sprache hier gerade das Schweigen eingefangen werden will; im dunkel-verschwiegenen Zentrum der Stadt und des Romans schwelt die Erinnerung an ein im Nationalsozialismus verübtes Massaker, um das herum sich, wildwuchernden Kletterblumen gleich, weitere Verbrechen, Untaten, Unterlassungen, Opportunismen, im Kleinen und Großen, gruppieren.

Dunkelblumig ist denn auch die Sprache, die Eva Menasse für die Bearbeitung dieses historischen Stoffes wählt, hintersinnig, satirisch, bissig, aber nicht ganz ohne Herz; sie bemüht sich, um nicht in die Falle einer moralischen Überlegenheitspose zu tappen, um ein literarisches Einfühlen auch in die unsympathischsten Charaktere, deren Taten gleichwohl durch nichts gerechtfertigt werden und zu denen eben durch die Sprache immer eine gewisse Distanz aufrechterhalten wird.

Ein wachrüttelndes Stück historischer Aufarbeitung im Gewande einer eigenwilligen, aber ins Schwarze treffenden literarischen Form.

Bibliographische Angaben
Eva Menasse: Dunkelblum, Kiepenheuer & Witsch 2021
ISBN: 9783462047905

Bildquelle
Eva Menasse, Dunkelblum
© 2024, Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co KG, Köln

bookmark_borderOyinkan Braithwaite: Das Baby ist meins

Auf den ersten Blick scheint es irritierend, dass eine Geschichte, die als feministische Emanzipationserzählung gefeiert wird, durchgehend aus der Perspektive eines Mannes erzählt wird, der es sich in den Privilegien, die einem attraktiven jungen Lebemann in der Gesellschaft zufallen, bequem eingerichtet hat — auf (die auch emotionalen) Kosten der jeweiligen Geliebten, die der männlichen Unverbindlichkeit und Verantwortungslosigkeit erwachsen.

Dieser keinesfalls unsympathische junge Mann und Ich-Erzähler strandet, von seiner aktuellen Freundin aus der komfortablen Wohnung geworfen, während der Corona-Ausgangssperren im Haus seiner Tante, deren Mann gerade an Corona gestorben ist und die vor kurzem ein Baby auf die Welt gebracht hat. In ihrem Haus trifft er zu seiner Bestürzung aber nicht nur auf Tante und Baby, sondern auch auf eine junge Frau, die nicht nur die Geliebte seines Onkels, sondern auch eine seiner eigenen zahlreichen Eroberungen gewesen ist. Während die zwei Frauen, die das Baby mit erbitterter Kampfbereitschaft jeweils für sich beanspruchen, aus dem Blick des Erzählers wie Furien erscheinen, macht der männliche Erzähler, ohne sich dessen selbst so richtig bewusst zu werden, eine Verwandlung durch, wechselt Windeln, verzichtet auf Schlaf und übernimmt auf einmal Verantwortung für das kleine schutzlose Baby.

Der sehr kurze, sehr locker und schwarzhumorig erzählte Text erinnert allerdings eher an eine Novelle, auf keinen Fall ist er ein Roman, wie es der Klappentext verkündet. Es wird keine Lebensgeschichte erzählt, sondern eine unerhörte Begebenheit, die sich während des Lockdowns im nigerianischen Lagos ereignet, die aber im Grunde überall auf der Welt so ähnlich verlaufen könnte und die nicht ganz zeitlosen, aber auf jeden Fall exemplarischen Charakter hat.

Vor allem darf man die Erzählung nicht wortwörtlich nehmen, sie ist überspitzt, von abgründigem Witz und, getarnt durch die Perspektive des männlichen Erzählers, nur sehr subtil entlarvend. Dass man den Ich-Erzähler so vernünftig findet, so väterlich verantwortungsvoll, und die beiden Frauen hysterisch, verbittert, verantwortungslos, dass all das, was die beiden Frauen schon durchgemacht haben, ein von Corona hinweggeraffter Ehemann, ein nach der Geburt gestorbenes Baby, ein Geliebter, der gerade in dem Moment stirbt, wenn das Baby unterwegs ist, ein anderer Geliebter, der sich von vornherein aus der Verantwortung stiehlt, an den Rand der Erzählung gerückt wird, während das Aussehen der Frauen, ihr etwas verwahrlostes Erscheinungsbild, ihre sinnlichen Reize, ihre einschüchternde Mütterlichkeit, intensiv kommentiert werden, so dass man kaum umhin kann, aus dem Optischen Rückschlüsse auf die moralische Integrität zu ziehen — all das gehört ja mit zu den geschlechterstereotypischen Bildern, die man sich von der männlichen und der weiblichen Rolle macht.

Die für den männlichen Blick, den man als Leser zu übernehmen verführt ist, völlig überraschende Solidarität zweier Frauen, die sich doch bis aufs Blut anzufeinden scheinen, bringt den feministischen Subtext der Erzählung ans Licht, in der keine salomonische Vaterfigur ein weises allgültiges Urteil spricht, aber in der ein Mann entgegen jeder gesellschaftlichen Erwartung mit immer größerer Selbstverständlichkeit einen Teil der Sorgearbeit übernimmt.

Bibliographische Angaben
Oyinkan Braithwaite: Das Baby ist meins, Blumenbar 2021
Aus dem Englischen übersetzt von Yasemin Dinçer
ISBN: 9783351050894

Bildquelle
Oyinkan Braithwaite, Das Baby ist meins
© 2024, Aufbau Verlage GmbH & Co. KG, Berlin

bookmark_borderNathan Hill: Wellness

Ein junger Mann und eine junge Frau, jeweils auf ihre Weise in den dunkleren Vierteln im Chicago der 1990er Jahre gestrandet, beobachten sich heimlich gegenseitig in den mal erleuchteten, mal abgedunkelten Fenstern ihrer gegenüberliegenden Wohnungen. Er heißt Jack und ist ein junger Kunststudent, der sich seiner ländlichen Wurzeln zu entwinden versucht, sie heißt Elizabeth und stammt aus einer reichen Familie, zu der sie ebenfalls jeden Kontakt abgebrochen hat. Wie es der Zufall will, oder das Schicksal…, begegnen sich diese beiden Seelen, die trotz ihrer so unterschiedlichen Charaktereigenschaften und Herkunftmilieus so gut zusammenzupassen scheinen, in der subkulturellen Szene Chicagos. Es ist der romantische Beginn einer Liebe, deren Geschichte Nathan Hill auf vielen ungemein spannenden und psychologisch wie gesellschaftlich tief grabenden Seiten entfaltet. Wo jedoch eine traditionelle Liebesgeschichte wohlweislich endet, nämlich mit der Eheschließung, setzt der Autor nun erst so richtig an, um aus der vor Jahren verfassten Kurzgeschichte über zwei sich liebende Voyeure einen großangelegten Roman zu spinnen, der um die Geschichte einer Ehe herum ein ganzes Gesellschaftspanorama entwirft.

Nach dem Eingangskapitel, in dem sich Jack und Elizabeth kennenlernen, springt die Erzählung um viele Jahre nach vorn und zeigt das Paar, das inzwischen einen Sohn im Grundschulalter hat, in ihrer Ehe, in die eine nicht mehr übersehbare Unzufriedenheit eingezogen ist. Ein wichtiger Meilenstein in ihrem Leben als Familie steht bevor, der Umzug in eine Eigentumswohnung, die, als Teil eines bisher noch in der virtuellen Planungsphase steckenden ambitionierten Wohnprojekts, in einem der wohlhabenderen Viertel Chicagos liegen wird und, unter anderem mit zwei getrennten Schlafbereichen, auch alle Unsicherheiten moderner Ehe- und Familienplanung zu berücksichtigen versucht. Es folgen in weiteren Kapiteln immer wieder Rückblicke in die Kindheit von Jack und Elizabeth, in ihre Studienjahre, und auch in die Vorgeschichte ihrer Familien. So wenig hier linear erzählt wird, so wenig unternimmt Nathan Hill, ohne deshalb allzu große stilistische Experimente einzugehen, mit denen er von den für den amerikanischen Gesellschaftsroman gegenwärtig geltenden Erzählkonventionen abweichen würde, den Versuch, seine Figuren als lineare Persönlichkeiten mit fest umrissenen Identitäten anzulegen. Und doch lernt man Jack und Elizabeth mit ihren facettenreichen Ichs, deren zeitliches Ineinanderfließen Marcel Proust in seiner Recherche du temps perdu so unvergleichlich, unübertroffen als literarische Wahrheit herausgearbeitet hat, mit all ihren schwankenden Gefühlen, Ängsten, Hoffnungen, Vorstellungen sehr gut kennen. Diese auf ihre je eigene Weise sensiblen und reflektierten Menschen werden einem bald sehr vertraut und offenbaren einem gleichwohl bis zum Schluss immer wieder neue Seiten.

Der Roman ist voll von Psychologie, was ihm gelegentlich schon vorgeworfen wurde, was sich aber eigentlich sehr stimmig in die Fiktion fügt, die mit der Psychologin und fast obsessiven Wissenssammlerin Elizabeth eine Figur ins Zentrum stellt, die alles durch eine psychologische Brille betrachtet. Mindestens ebenso sehr nimmt der Roman auch eine soziokulturelle Analyse vor, er ist eine fein beobachtete und literarisch komplex aufgearbeitete soziologische und kulturgeschichtliche Darstellung der letzten 20, 30 Jahre. Es wird hier den zahlreichen in der gegenwärtigen Gesellschaft auftretenden Differenzen nachgespürt, eindrücklich zum Beispiel der wachsenden Kluft zwischen amerikanischer Provinz und Weltläufigkeit, zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Zu letzterer gehört etwa Jacks Vater, der in der Prärie beheimatet ist und sich, als alternder, erkrankter Mann von den Algorithmen des Internets in die Irre und in so manche obskure Verschwörungstheorie (ent)führen lässt. Auch Herkunft und Verwurzelung sind ein wichtiges Thema des Romans und damit verbunden die Frage der Gruppenzugehörigkeit, die die Angst vor dem Ausschluss ebenso beinhaltet wie den Wunsch, anders, ja besonders zu sein. Die Figuren, und allen voran natürlich Jack und Elizabeth, sind hier auch symptomatisch für die Zeit und die Gesellschaft, der sie erwachsen. Trotz ihrer Unterschiede haben sie nämlich ein gemeinsames Lebensthema, das sie mit unzähligen Menschen heute teilen dürften: Beide sehnen sich nach einer irgendwie gearteten Gewissheit im Leben, die der permanenten Veränderung der Umwelt und des Ichs abzuringen ist, beide erleben seit ihrer Kindheit, welchen Kraftakt es bedeutet, sich immer wieder an neue Umstände anpassen zu müssen. Die vielen Seiten, die ihrem Aufwachsen eingeräumt werden, sind also nicht nur der psychologischen Herleitung der Charaktere und ihrer sozialen Bedingtheit geschuldet, sondern zeigen auch das Potential, das der charakterlichen Entwicklung trotz allem innewohnen kann.

Elizabeth hat während ihres Studiums an einem Institut für Placeboforschung zu arbeiten begonnen; später wird sie dort die Leitung übernehmen. Das Institut, dessen Tarnname, Wellness, mit einer gewissen Ironie den Zeitgeist aufs Korn nimmt, ist im Grunde das metaphorische Zentrum des Romans. Denn Nathan Hill veranschaulicht an der zwangsläufig im Halbdunkel zwischen Lüge und Wahrheit stattfindenden Arbeit der Placeboforschung, welche Macht die Verpackung einer geschickt erzählten Geschichte auf uns Menschen ausübt, wie bereitwillig wir uns täuschen und manipulieren lassen, wenn wir im Gegenzug etwas serviert bekommen, an das wir glauben können. Das Ritual ist in unserer heutigen Zeit längst nicht ausgestorben, sondern bedeutsam wie eh und je. Placebos zeitigen nämlich vor allem dann signifikante Effekte, wenn sie mit einer Sinn stiftenden Geschichte aufgeladen, mit einem bildhaften Kontext angereichert werden, der den Glauben stärkt — an die Heilung ebenso wie an das Produkt. Diesen psychologischen Mechanismus, seine ethische Ambivalenz und seine gesellschaftliche Brisanz, führt uns der Autor in seinem Text immer wieder vor Augen; in den unterschiedlichsten Lebensbereichen zeigt sich das Fortdauern des Glaubenwollens, das Nathan Hill als eine anthropologische Grundkonstante herausarbeitet. Ob es um technische Phänomene wie den Erfolg von Hypertext und Algorithmus geht, um esoterische Selbsthilfegruppen, um den Immobilienmarkt, um Ernährungsfragen, Fitness, Kindererziehung, Kunst und Ästhetik — das Verhalten der Menschen erscheint in seiner ideologischen Anfälligkeit als gefährlich manipulierbar, der Erfolg eines neuen Trends, eines neuen Mediums dann garantiert, wenn es ihm gelingt, wenig oder nichts zu etwas Bedeutungsschwerem aufzublasen und die Menschen mit einer möglichst emotionalen Geschichte zu ködern, die sie in ihrer Einsamkeit, in ihrer Wut, in ihrer Angst zu verstehen scheint. Und während ehedem der Satan als Gegenspieler Gottes herhalten musste, um das menschliche Gewaltpotential aufzufangen, entstehen heute allerorten neue Teufelsbilder, gegen die mit Hass und Hetze gepredigt wird. Das Gewaltsame des Rituals, seine auf Exklusion beruhende Funktionsweise, wirkt auch in den Weiten des kaum regulierbaren Internets mit umso größerer Zerstörungskraft weiter fort.

Als Elizabeth die Leitung von Wellness übernimmt, verändert sie die Ausrichtung des Instituts verstärkt auf die praktische Anwendung der Placebos, in denen sie anfangs noch in gutem Glauben ein Heilmittel gerade für die durch Stress, Überforderung, Unübersichtlichkeit ausgelösten chronischen Krankheiten unserer Zeit sieht, das den Menschen vorzuenthalten ethisch noch weniger vertretbar sei, als es ihnen unter Vorgaukelung falscher Tatsachen anzubieten. Vielleicht kann ein ernährungstechnisch harmloser Placebo-Liebestrank sogar Beziehungen retten? Oder unterstützt man damit auf unethische Weise einen Prozess, in dem der Schmerz darüber, betrogen und belogen worden zu sein, einfach in eine neue Lüge, diesmal sich selbst gegenüber, verkehrt wird? Während Elizabeth also, wie es eine Romanfigur einmal etwas hinterhältig auf den Punkt bringt, mit ihren Placebos nichts verschreibt, fotografiert Jack mit seiner scheinbar abstrakten Fotokunst das Nichts, beide frönen sie der Abwesenheit, der Leere — ein Ausdruck unserer gegenwärtigen Haltlosigkeit? Doch so, wie Elizabeths Placebos zwar substanzlos sind, aber nicht unbedingt folgenlos, wird, so tief wurzelt das Bedürfnis nach Wahrhaftigkeit, auch Jacks Kunst mit allerlei „content“, wie man heute so schön sagt, versehen, ja es blitzt am Ende gleichsam als Ausdruck literarischer Gerechtigkeit sogar eine Form von Wahrheit auf, die zumindest für ihn eine Bedeutung hat, die nicht konstruiert ist. Davor jedoch wird auch die Kunst im Verlauf des Romans immer wieder als ein gesellschaftliches Spielfeld vorgeführt, auf dem, abgekoppelt von der Wirklichkeit, eine Bedeutung, eine Sinnhaftigkeit konstruiert wird, mit der sich die Menschen selbst etwas vormachen. Jacks plötzliche Wertschätzung als ernstzunehmender Künstler entsteht, wie es in einer der satirisch entlarvenden Szenen geschildert wird, in denen Nathan Hill mit feinem erzählerischem Witz Lebenslügen, Ideologien und sonstige gesellschaftlich verbreitete Verhaltensweisen ad absurdum führt, durch eine einzige Notlüge in einer ziemlich peinlichen Situation: Um zu verschleiern, dass er seine Befugnisse als studentische Hilfskraft auf ziemlich dilettantische Weise dazu missbraucht hat, auf den damals noch langsam arbeitenden Universitätsrechnern Pornographie herunterzuladen, verleiht Jack den verräterischen Bildern, von denen er Abzüge gemacht hat, kurzerhand eine Metaebene, um sie als künstlerisches Projekt auszugeben. Ohne diese nachträglich aufgepfropfte höhere Ebene, ohne den sinnstiftenden Kontext, ohne die Fiktion droht alles reine Materialität zu bleiben, in der Kunst, in der Liebe, in allem, was man im Leben angeht.

Dieses durch den gemeinsamen Nenner des Placebohaften zusammengehaltene Ineinander von Kunst, Ästhetik, Gesellschaft und Psychologie, die Fülle der Motive, Symbole, Spiegelungen, die sich durch die Erzählung ziehen, das geschmeidig in die Handlung integrierte Wiederaufgreifen und Variieren von Verhaltensmustern ebenso wie von gesellschaftlichen und kulturellen Phänomen ist der Grund, weshalb ich Wellness, auch wenn der Text kein dekonstruktivistisches Formexperiment ist, sondern eine jederzeit verständliche klassische Erzählung, für mehr als einen Unterhaltungsroman halte.

Bibliographische Angaben
Nathan Hill: Wellness, Piper 2024
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Stephan Kleiner und Dirk van Gunsteren
ISBN: 9783492605496

Bildquelle
Nathan Hill, Wellness
© 2024 Piper Verlag GmbH, München

bookmark_borderDaniela Dröscher: Lügen über meine Mutter

Während Sylvie Schenk ihren autofiktionalen Roman Maman (vgl. Rezension vom 12.3.2023) erst schreiben konnte oder wollte, nachdem ihre Mutter gestorben war, geht Daniela Dröschers Erzählerin in dem gleichfalls autofiktionalen Roman Lügen über meine Mutter immer wieder ins Gespräch mit ihrer Mutter. Die Themen, die mit dem Nachdenken über das Leben der eigenen Mutter verbunden werden, auf das die erwachsenen Töchter einen neuen Blick zu werfen versuchen, fragend, suchend, korrigierend, sind in beiden Texten sehr ähnliche. Es geht um Frauen- und Rollenbilder und um Machtverhältnisse, um Dynamiken innerhalb von Familien und, insbesondere bei Daniela Dröscher, den Einfluss des Blicks von außen, der Familienmitglieder, der Gesellschaft, auf die eigenen Werturteile und Verhaltensweisen. Freilich gehört Daniela Dröscher einer anderen Generation an als Sylvie Schenk, deren Mutter zwei Weltkriege erlebte. Die historisch-gesellschaftlichen Voraussetzungen sind in den 1980er Jahren, in denen Lügen über meine Mutter spielt, andere, auch für Frauen, die Mütter sind; von Gleichheit in der Rollenverteilung ist man aber immer noch weit entfernt, die Kategorie Geschlecht wird auch in der Zeit, in der die Erzählerin aufwächst, von einer hierarchischen Struktur bestimmt, deren Auswirkungen auf Körper und Psyche Daniela Dröscher in ihrem Roman auf zugleich schonungslose und einfühlende Weise nachspürt.

Das Buch ist in vier Teile gegliedert, die die vier Jahre von 1983 bis 1986 umfassen, während denen die Erzählerin im Grundschulalter ist. Die erzählte Zeit beschränkt sich also auf einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben von Mutter und Tochter, doch auch wenn nicht ab ovo erzählt wird, hat der Text in seinen fiktionalen Passagen durchaus die Anmutung eines den Leser mit sich ziehenden Romans. Die Autorin nimmt hier die Perspektive der Tochter als kleines Mädchen ein, das mit einem frischen, noch weitgehend vorurteilsfreien Blick auf das schaut, was in ihrer Familie passiert, auf ihre Mutter, ihren Vater, ihre Großeltern, auf das ganze kleine Dorf im Hunsrück, in dem sie ihre Kinderjahre verbringt. Dieser Kinderblick hebt, gerade weil er die Hintergründe nicht erfasst, sondern in kindlicher Ehrlichkeit das kundtut, was sichtbar ist, die Willkür des väterlichen Umgangs mit der Mutter umso klarer hervor, die absurde Logik, mit der der Vater das Körpergewicht der Mutter für das Stocken seiner eigenen beruflichen Karriere verantwortlich macht, das Ausmaß des psychischen Drucks, den er ausübt, wenn er seine Ehefrau immer wieder zu Diäten und zur peinlichen Kontrolle mit der Waage zwingt. Aus dem Subtext der Erzählung geht hervor, dass sich hinter der Fixierung auf den als zu dick verurteilten weiblichen Körper vielschichtige andere Konflikte zwischen den Eheleuten verbergen, etwa die unterschiedliche Herkunft; der Vater ist in einer kleinbürgerlich-ländlichen Familie im Westen aufgewachsen, die Mutter stammt aus Schlesien, ihre Eltern sind in der Nachkriegszeit zu Geld gekommen. So verschmelzen verschiedene Brennpunkte der Ungleichheit, Geschlechterrollen, Herkunft, Finanzen zu einem konfliktreichen Herd, in dessen schwelender Glut, nicht zuletzt, da auch die Mutter wieder eine Arbeit aufnimmt, mit der sie zeitweise besser verdient als ihr Mann, unterbewusst permanent in einem verletzungsreichen Kampf um Machtstrukturen und Würde gerungen wird.

In diese fiktionale Erzählung aus Sicht der Tochter schiebt sich in kürzeren, kursiv gesetzten Passagen zwischen den Kapiteln immer wieder die reflektierende, einordnende Stimme der erwachsenen Tochter, die Schriftstellerin geworden ist und in ihrer eigenen Biographie und in der ihrer Mutter nach Spuren sucht, mit denen sich das Erlebte des Kindes nachträglich neu sortieren und bewerten lässt. Diese kritische Wahrnehmung der erwachsenen Tochter greift im Übrigen auch in den aus der Perspektive des Kindes erzählten Text ein, in dem nämlich immer wieder bestimmte Redewendungen und klischeehafte Ausdrücke kursiv gesetzt werden, die das Kind unbewusst und unhinterfragt aus dem Wortschatz der Erwachsenen übernommen hat und die bereits wertend verwendet werden. Durch den Kursivdruck wird deutlich, wie viele Stereotype die Sprache durchziehen und in welchem Maße man von den Ansichten der Familie und der Gesellschaft geprägt wird. So sieht die kleine Tochter ihre Mutter beim gemeinsamen Schwimmbadbesucht mit dem unbewusst übernommenen Blick des Vaters und empfindet eine eigentlich ganz unangebrachte Scham; ihr Vater wiederum betrachtet seine Frau mit dem Blick der Gesellschaft der 1970er und 80er Jahre, deren Ideal eines schlanken, sportlichen Körpers er verinnerlicht hat.

Lügen über meine Mutter ist ein scharfsichtiger und trotz der analytischen Tiefenschärfe auch mit Wärme erzählter Text, nicht zuletzt auch eine Hommage, oder, um mir hier eine Wortneuschöpfung zu erlauben, eine Femmage an die Mutter, die, so geht es indirekt aus dem Text, der das Gegenteil einer Idealisierung ist, hervor, eine starke, bewundernswerte Frau war, die ihre Kinder und die eigene an Alzheimer erkrankte Mutter versorgte, Geld verdiente, nach der fixen Idee ihres Mannes maßgeblich den Hausbau unterstützte und schließlich auch noch ein Pflegekind aufnahm.

Bibliographische Angaben
Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter, Kiepenheuer & Witsch 2022
ISBN: 9783462001990

Bildquelle
Daniela Dröscher, Lügen über meine Mutter
© 2024, Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co KG, Köln

bookmark_borderUlrich Woelk: Mittsommertage

Es ist schon interessant, dass die Corona-Pandemie einige literarische Texte inspiriert hat, in denen sich das Krisenhafte in Paarbeziehungen manifestiert; die Erfahrung der Isolation legt augenscheinlich auch literarisch das Kammerspielhafte nahe, das wiederum Unstimmigkeiten und Missklänge zum Vorschein bringt, über die man ohne äußere Krise vielleicht weiter hinweggelebt hätte. Wie in Daniela Kriens gleichfalls während der Pandemie spielendem Roman Der Brand (vgl. Rezension vom 23.5.2023) beschränkt sich die Erzählgegenwart in Ulrich Woelks Mittsommertage auf genau eine Woche im Leben eines Paares, das schon lange zusammen ist und bisher eigentlich ziemlich gut miteinander ausgekommen ist. Und auch wenn die Pandemie in Woelks Roman an der Oberfläche keine große Rolle spielt und der Handlungsrahmen der Geschichte über den kleinen privaten Beziehungskern weit hinausreicht, beherrscht ein wachsendes Gefühl der Isolation das Fühlen und Handeln der Protagonistin. Während diese beginnt, scheinbar irrelevante Vorfälle als Vorzeichen für eine sich ankündigende Krise in ihrem Leben zu deuten, macht der Erzählverlauf deutlich, dass sich in dieser persönlichen Krise einer glücklich verheirateten und beruflich erfolgreichen Frau übergreifendere Krisensymptome unserer Gegenwart spiegeln. Gerade das Ineinandergreifen von Privatem und Politischen macht diese Romane überhaupt relevant und lesenswert, wobei Ulrich Woelk im Vergleich zu Daniela Krien noch ein bisschen politischer schreibt.

Ein literarisches Gespür für die individuellen Auswirkungen gesellschaftlicher Veränderungen hat Ulrich Woelk schon in Der Sommer meiner Mutter in einer beeindruckenden Erzählung unter Beweis gestellt, in der er eine berührend-ehrliche coming-of-age-Geschichte auf überzeugende Weise mit einer so beispielhaften wie traurigen Emanzipationsgeschichte verschränkte: Während die Mondlandung eine ganze Welt in Atem hält, lernt ein Junge zusammen mit einem älteren Nachbarsmädchen das im Umbruch begriffene und verwirrende Geschlechterrollenverständnis kennen, das von seiner Mutter, in mehrfacher Hinsicht die heimliche Hauptfigur der Erzählung, zur allgemeinen Bestürzung infrage gestellt wird. Der gesellschaftliche Aufbruch überkreuzt sich hier mit einer privaten Tragödie, die einem vor allem deshalb so nahegeht, weil Ulrich Woelk die Perspektive des Jungen erzählerisch-stilistisch in großer Glaubwürdigkeit einzunehmen versteht.

Für Mittsommertage wählt Woelk die Perspektive der Protagonistin Ruth, und auch diesmal gelingt die literarische Einfühlung wieder ganz wunderbar, ja der Roman ist ein schönes Beispiel dafür, dass gute Literatur geschlechtsunabhängig ist, dass sich ein männlicher Autor auch in eine weibliche Erzählerin hineinversetzen kann, und umgekehrt.

Wer ist nun dieses Paar, dessen Welt innerhalb einer Woche aus den Angeln gehoben wird? Die Erzählerin Ruth ist Professorin für Umweltethik an der philosophischen Fakultät in Berlin und wurde, eine Auszeichnung ihrer fachlichen und zwischenmenschlichen Kompetenz, gerade frisch in den Ethikrat gewählt. Ihr Mann Ben erfährt gerade seinerseits berufliche Anerkennung, er hat mit seinem Büro einen wichtigen Architekturwettbewerb gewonnen. Seine Tochter, Ruths Ziehtochter, ist vor kurzem ausgezogen, eine klimabewusste Studentin, die sich für students for future engagiert. Soweit die alles andere als umwälzenden und ja eigentlich eher vielversprechenden Veränderungen im Leben der kleinen Familie. Zu Beginn der Erzählung steht jedoch ein auf den ersten Blick nebensächlicher Vorfall; Ruth wird beim frühmorgendlichen Joggen von einem Hund angesprungen und gebissen. Die Verletzung nimmt sie mehr mit, als sie gedacht hätte, körperlich und psychisch, und die anfängliche Irritation darüber nimmt mehr und mehr die Gestalt einer nachhaltigen Verstörung an, einer existentiellen Verunsicherung, die sich im Lauf der Woche in kleinen und größeren Katastrophen in ihrem Leben Bahn bricht.

Woelk verleiht seinem schmalen Roman eine große Dichte, indem er verschiedene Einflüsse aus Vergangenheit und Gegenwart ineinandergreifen lässt. So war Ruth als Studentin, halb aus Liebe, halb aus politischer Überzeugung, selbst an einer illegalen umweltaktivistischen Aktion beteiligt, die ihr jetzt, da sie eben in den Ethikrat gewählt worden ist, zum Verhängnis zu werden droht. Immer wieder überkreuzen sich persönliche und politische Motive, auch die Liebe existiert nicht unabhängig von ethischer Verantwortung. Die Protagonisten von Mittsommertage sind, wie auch diejenigen in Daniela Kriens Roman Der Brand, allesamt intellektuelle, gesellschaftsbewusste Menschen, die ihr Denken und Handeln reflektieren und dennoch die Macht des Gefühls bisweilen unterschätzen. Auch weil der Autor dieses Spannungsverhältnis in die Entwicklung der Handlung einfließen lässt, vermeidet er die durchaus naheliegende Gefahr eines Thesenromans. Nicht zuletzt ist es der sehr lebensnah und glaubwürdig gestalteten Erzählerin zu verdanken, dass man die zahlreichen philosophisch-ethischen und politischen Fragen und Zweifel fast unwillkürlich und mit intellektuellem Gewinn mit ihr zusammen durchlebt und durchdenkt.

Bibliographische Angaben
Ulrich Woelk: Mittsommertage, C. H. Beck 2023
ISBN: 9783406806520

Bildquelle
Ulrich Woelk, Mittsommertage
© 2024 Verlag C.H.Beck oHG, München

bookmark_borderRaphaela Edelbauer: Die Inkommensurablen

Ein historischer Roman trifft immer dann ins Herz meiner Leseerwartung, wenn er, und das eben meistens jenseits der üblichen Genregrenzen, Geschichte in der Literatur erfahrbar und auf eine Weise begreifbar macht, die eine noch so genaue rein wissenschaftliche Beschreibung vielleicht nicht erreichen könnte. Raphaela Edelbauer ist mit ihrem Roman, der die bedrohlich flirrende Zeit kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs in einer vielschichtigen Fiktion erfasst, genau das gelungen. Sie verleiht der Hingerissenheit und Zerrissenheit des Endes einer Epoche, ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit, eine literarische Gestalt, die Gesellschafts-, Kultur- und Mentalitätsgeschichte vereint und dabei auch noch so spannend erzählt ist, dass ich das Buch kaum beiseite legen konnte.

Es passiert auch wirklich eine ganze Menge in diesen gerade mal ein, zwei Tagen, an denen sich die Romanhandlung in großer Dichte und Schnelligkeit abspielt: Schlägereien, Rausch- und Traumerfahrungen, zahlreiche pointierte intellektuelle Dialoge, in denen von Traumdeutung, Psychoanalyse, Suggestion über Mathematik, Philosophie bis zur Diplomatie und zur Musik viele Ebenen des kulturellen, psychischen und politischen Lebens der Gesellschaft im frühen 20. Jahrhundert aufgerufen und zueinander in Beziehung gesetzt werden, und nicht zuletzt auch eine turbulente Freundschaft, so intensiv und emotionsgeladen, wie die kurze Zeitspanne, in der sie entsteht. Um das zentrale Dreigespann der handelnden Personen kurz vorzustellen: Klara, eine hochbegabte Mathematikdoktorandin aus ärmlichsten Verhältnissen, Hans, ein belesener Pferdeknecht aus Tirol, der einen Tag vor Ausbruch des Krieges vom Land in die Großstadt Wien gelangt und auf den beide, die Stadt und die Doktorandin, eine so faszinierende wie einschüchternde Wirkung haben, und schließlich der aus einem reichen und adligen Elternhaus stammende Adam, der gegen den Willen seiner Eltern ganz für seine Leidenschaft, die Musik, zu leben versucht, von dem jedoch erwartet wird, dass er, der Offizierstradition seiner Familie folgend, in den Krieg zieht, sobald dazu aufgerufen wird. Diese drei entwickeln, so verschiedener Herkunft sie auch sind, in der kurzen Zeit, die ihnen beschieden ist, ein besonderes, ein eigenwilliges Band der Freundschaft. Sie begegnen sich, und diese Kontingenz begründet den philosophischen Kern der alles andere als kontingenten Romankonstruktion, bei der Psychoanalytikerin Helene Cheresch, der vierten Hauptfigur, mit der alle drei eine wiederum eigene Geschichte verbindet.

In dieses spannungsreiche Beziehungsgefüge, das um viele weitere der Zeit anverwandelte Figuren ergänzt wird, webt Raphaela Edelbauer viele der explosiven neuen Gedanken und Erscheinungen, die im Jahr 1914 die althergebrachten Denk- und Verhaltensmuster erbeben lassen. Es geht um die Suffragettenbewegung, um weibliche Homosexualität, um den Machtverlust des Adels und das Erstarken neuer politischer Akteure, um neue Wirklichkeitserfahrungen, um die unheimliche Aufwertung des Unterbewusstseins, und überhaupt um einen riesigen Werteverfall oder besser um eine Umwertung aller Werte, in der ein inniger Abscheu gegenüber dem Alten und eine tief sitzende Angst vor dem Neuen gewaltsam aufeinanderprallen. Das Thema von Klaras Doktorarbeit, in der sie sich mit den „Inkommensurablen“ beschäftigt, also mit mathematischen Zahlen, die zueinander in einem irrationalen Verhältnis stehen, die kein gemeinsames Maß haben, aus dem ein reeller Zahlenwert hervorginge, lässt sich, als zentrale Metapher des Romans, auch auf die miteinander in gewaltsamer Konkurrenz stehenden Werte und moralischen Fragen übertragen. Die Masse ist gesellschaftlich eben längst nicht so homogen, wie sie dem historischen Mythos des Augusterlebnisses zufolge 1914 in einen heilbringenden Krieg gezogen sei. Vielmehr spricht allein in der Stadt Wien fast jeder eine andere Sprache, was bei weitem nicht nur an der Sprachenvielfalt des dem Untergang geweihten Vielvölkerreiches liegt. Moralisch, politisch, in jeder nur denkbaren Hinsicht wird mit einem anderen Maß gemessen, so dass die jeweiligen Vorstellungen und Überzeugungen absolut inkompatibel erscheinen: die der Alten und die der Jungen, die der Land- und die der Stadtbevölkerung, die der reichen Militärs aus Adams Elternhaus und die der Frauenrechtlerinnen, die der Nationalisten und die der Internationalen, sowie die der verschiedenen Nationalisten untereinander, und so weiter und so fort. In einer solch inkommensurablen Gesellschaft ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, sich zu verständigen; wo ein gemeinsames Maß fehlt, bleibt nur der Ausdruck der Gewalt. Die brodelnde Maßlosigkeit ist denn auch omnipräsent in diesem Roman, der mancherlei Anklang an Robert Musil, Hermann Broch und vor allem auch an Thomas Manns Zauberberg bereithält, nicht nur, weil die Fiktion schließlich im Kriegsausbruch kulminiert. Die Nervosität und Reizbarkeit der Einzelnen, die einer riskanten Dynamik der Massen in die Hände spielt, die in die Handlung integrierten wissenschaftlichen Diskurse und besonders die schlagfertigen Dialoge, die, anspielungsreich und von unterschwelligem Witz, auch beziehungsreiche inhaltliche Felder durchschreiten, machen deutlich, wo die Autorin ihre großen Vorbilder hat.

Wenn man eine moralisch-ethische Brücke in die Gegenwart schlagen mag, so kann man aus der Durchführung dieser mathematischen Metapher durchaus eine Warnung ableiten, nämlich die vor der Halsstarrigkeit ins Absolute gewendeter Überzeugungen, die religiösen Ideologien gleich, keine anderen neben sich gelten lassen. Ein solches Fehlen von Meinungspluralität wird rasch zum Quell der Gewalt, die sich erst in der Kommunikation, sodann auch in physischer Auseinandersetzung ihren zerstörerischen Ausdruck verschafft.

Der Schluss gestaltet sich im Übrigen so zwangsläufig wie überraschend. Metaebene und Handlungsebene fallen in eins, erweisen sich als geschickt angelegte Versuchsanordnung und desillusionieren sowohl den Protagonisten Hans wie den Leser. Mit der Einschränkung jedoch, dass ein fiktionsironisches Fenster für den aufmerksamen Leser offengelassen wird, durch das er ins Übersinnliche blicken darf — das keinesfalls mit dem Übernatürlichen gleichzusetzen ist, wie man in einer der anregenden Diskussionen der Figuren zuvor erfahren hat.

Bibliographische Angaben
Raphaela Edelbauer, Die Inkommensurablen, Klett-Cotta 2023
ISBN: 9783608986471

Bildquelle
Raphaela Edelbauer, Die Inkommensurablen
© 2024 Klett-Cotta Verlag J.G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, Stuttgart

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