bookmark_borderKatie Milford: Greenglass House

Ein altes Schmugglerhaus mit Buntglasfenstern an der Küste, das nur mit der Standseilbahn oder über eine endlos lange und steile Treppe zu erreichen ist, und, wenn der Winter besonders viel Schnee mit sich bringt, erst einmal gar nicht wieder verlassen werden kann. Hier verbringt der 12jährige Milo, der chinesische Adoptivsohn der Pines, die das alte Haus als Gasthaus und Hotel betreiben, seine Weihnachtsferien, voll Vorfreude auf ein paar ruhige Tage nur mit seinen Eltern. Doch auf einmal taucht wie aus dem Nichts im Schneechaos eine Gestalt nach der anderen auf, eine schrulliger als die andere, eine bunte Schar an Gästen, die natürlich alle beherbergt werden müssen. Milo ist erst genervt und enttäuscht, und auch ziemlich nervös, wie immer, wenn die Dinge um ihn herum aus der Ordnung, aus dem Gleichgewicht geraten. Und diese seltsamen und auch recht zanklustigen unerwünschten Gäste, die die Ruhe stören, scheinen wirklich alle etwas im Schilde zu führen. Zum Glück ist da auch Meddy, die Tochter der Köchin, die Milo mitreißt in ein aufregendes Spiel, in das sie die unerwartete Situation verwandeln. Sie schlüpfen in neue Rollen, die es auch Milo leichter machen, sich auf das Ungewohnte einzulassen, und beginnen, in dem geheimnisumwobenen Haus mit seinen nicht weniger geheimnisumwobenen neuen Gästen ihre eigenen Nachforschungen anzustellen. Das alte Haus wird auf diese Weise selbst zum Protagonisten, hat es doch eine spannende Geschichte, der Milo und Meddy hinter Staub und geheimen Türen nach und nach auf die Spur kommen.

Greenglass Haus, das 2014 im englischen Original erschienen ist, als erster Band einer Reihe, deren Folgebände jedoch noch nicht ins Deutsche übersetzt sind, wurde 2015 mit dem renommierten Edgar Allan Poe Award in der Kategorie Jugendbuch ausgezeichnet. Das Buch sticht auch wirklich aus der Menge an Kinder- und Jugendbüchern heraus, es ist ein Füllhorn der Fantasie, eine Feier des Spielerischen, des Rätsels und des Erzählens an sich. Je weiter die Erzählung fortschreitet, desto verschachtelter wird sie, ein Abbild des alten Schmugglerhotels mit seinen bunten Fenstern und geheimen Ecken. Während sich auch die freiwillig oder unfreiwillig heran- und eingeschneiten Gäste schließlich in bester literarischer Tradition im Wohnzimmer Geschichten erzählen, verschwinden Gegenstände und tauchen wieder auf, entflammen Misstrauen und Streit, werden Dinge vertuscht und enthüllt, kommen sich Erzählende und Zuhörende allmählich näher, öffnen sich ein Stück für die anderen. Dem heterogenen Erzählen entspricht die bunte Stilmischung der verschiedenen eingestreuten Geschichten, von denen nie ganz klar ist, inwieweit sie wahr oder erfunden sind. Auch insgesamt grenzt das Erzählte an Fantastik, mit dieser Grenze wird immerzu gespielt, ohne dass der Roman der bei Jugendbüchern inzwischen so verbreiteten Fantasy zuzuordnen ist. Denn es wird klar: Die Wirklichkeit ist spannend und unglaublich genug, Greenglass Haus ist eine Feier des Lebens, der Familie und der Freundschaft und zugleich eine überraschend konstruierte Abenteuer- und Detektivgeschichte mit außergewöhnlichen Charakteren.

Bibliographische Angaben
Katie Milford: Greenglass Haus, Freies Geistesleben 2021
Aus dem Englischen von Alexandra Ernst
ISBN: 9783772527807

Bildquelle
Katie Milford, Greenglass Haus
© 2024 Verlag Freies Geistesleben und Urachhaus GmbH, Stuttgart

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