Daniela Krien hat schon in ihrem Vorgängerroman Die Liebe im Ernstfall gezeigt, dass sie sich gut in ihre Figuren und deren Beziehungsgefüge hineinzuschreiben versteht. Ähnlich locker und unterhaltsam geht sie auch in Der Brand wieder Männer- und Frauenrollen in unserer Gesellschaft auf den Grund, die sie von Vorurteilen und Klischees, auch solchen scheinbar progressiven Charakters, befreit. Diesmal steht eine Frauenfigur, die etwa 50jährige Rahel, im Vordergrund, aus ihrer Perspektive wird die Geschichte, die sich auf zwei intensiv erlebte Wochen konzentriert, in erzählerisch einnehmender Weise empfunden und erzählt.
Eigentlich war ein Urlaub an einem romantischen Idyll in den bayerischen Alpen geplant, doch der titelgebende Brand macht dieses Vorhaben kurzerhand zunichte. Da dieser Brand nicht erzählt wird und nur der Ausgangspunkt der Geschichte ist, die Rahel mit ihrem Mann Peter stattdessen zu einem ungeplanten Urlaub in die Uckermark führt, wo sie Haus und Hof einer langjährigen mütterlichen Freundin hüten sollen, liegt es nahe, darin eine Metapher zu sehen: eine Metapher für die Befindlichkeiten und existenziellen Nöte der Figuren. Zwischen diesen Begrifflichkeiten ist die Grenze hier nicht immer klar umrissen, sie immer wieder umzuwerfen, von neuem auszuloten, ist ein wichtiges Anliegen der Autorin sowie ihrer Erzählerin in diesem Buch.
Nicht zufällig macht Daniela Krien die Erzählerin zur Psychotherapeutin, ihren Mann zum Literaturwissenschaftler. Und konfrontiert ihre beruflichen und intellektuellen Perspektiven dann immer wieder mit dem gelebten Leben. Es geht um das Selbstverständnis und Zusammenleben als Paar nach 30 Jahren Ehe, um das Verhältnis zu den inzwischen erwachsenen Kindern, zu gesellschaftlichen Diskursen, von denen man sich entfremdet fühlt, zur ostdeutschen Vergangenheit, um die schmerzhafte Hinterfragung der eigenen Rolle als Mutter, als Tochter, als Frau, und immer wieder um den Platz, den man als Individuum in einer Gesellschaft einnimmt, die sich für einen selbst spürbar verändert hat.
Das stimmt immer wieder nachdenklich, lässt aber dank des selbstkritischen Charakters der im Vergleich zu ihrem bedachtsamen Ehemann recht impulsiven Erzählerin sowie dank des Talents der Autorin, Situationen der Konfrontation mit Humor zu schildern, genug Raum für eine Form der Leichtigkeit, die auch den schweren Ereignissen und Erfahrungen im Leben, den Bränden des Körpers und der Seele, mehr als nur einen Funken Lebensmut abzugewinnen versteht.
Bibliographische Angaben
Daniela Krien: Der Brand, Diogenes 2021
ISBN: 9783257070484
Bildquelle
Daniela Krien, Der Brand
© 2021 Diogenes Verlag AG, Zürich