bookmark_borderBenedict Mirow: Die Chroniken von Mistle End 2 — Die Jagd beginnt

Nachdem ich den ersten Band mit großer kindlicher Freude verschlungen und mit — etwas erwachsenerer — Begeisterung für seine originellen Einfälle in diesem ja nicht gerade konkurrenzlosen Kinderbuchgenre rezensiert hatte (Rezension vom 16.7.2020), war ich gespannt auf die Fortsetzung. Tatsächlich geht es fantasievoll und spannungsreich weiter, mit einer gut konstruierten Handlung, die dieses Mal an einen anderen Schauplatz führt, nämlich nach London, und für die sich der Autor einige neue, teils beunruhigende, teils faszinierende fantastische Gestalten ausgedacht hat. Während die in sich gespaltene Gruppe der in London regierenden Vampire durch familiäre Verflechtung zugleich als Verbündete und als mächtige und schonungslose Gegner der bunten Gemeinschaft von Mistle End auftreten, steht im pulsierenden Zentrum dieses Bandes auf jeden Fall die kleine Gauklertruppe, die sich aus noch ausgefalleneren magischen Gestalten zusammensetzt als die Bevölkerung von Mistle End. Diese Außenseiterfiguren sind es auch, die Cedric und seinen Freunden in der Gefahr tapfer und unkonventionell beiseitestehen, als durch den Raub eines magischen Buches die Sicherheit Mistle Ends in Gefahr gerät. Und umgekehrt setzt sich auch Cedric mit seinen allmählich intuitiveren Druidenkräften und gemeinsam mit seinen Freunden für sie ein, als ihre vor den Vampiren geschützte Existenz in London bedroht wird. Ein von Emilys Gestaltwandlungen total begeisterter Werwolf, ein eher unheimliches Wasserwesen und eine afrikanische Voodoo-Zauberin sind nur ein paar Beispiele für die Vielfalt der herrlich schrillen und warmherzigen Gauklertruppe.

Hingegen stecken die bereits bekannten Hauptfiguren im Vergleich zum ersten Band etwas zurück, es gibt weniger Szenen zum Schmunzeln zwischen den drei Freunden. Trotzdem halten sie natürlich fest zusammen und besonders Emily fasziniert immer wieder mit ihrer intelligent und mutig eingesetzten gestaltwandlerischen Gabe. Schade finde ich jedoch, dass Crutch, der als Widerpart Cedrics im ersten Band noch offen und ambivalent ausgelegt war, nun doch deutlicher ins feindliche Lager geschoben wird, auch wenn Cedric, aber auch nur er, ihn noch nicht ganz aufgegeben zu haben scheint. Mal abwarten, was der Autor im dritten Band mit dieser Figur noch vorhat. Denn eine weitere Fortsetzung wird es ganz bestimmt geben, die Vorausdeutungen auf neues drohendes und gewiss wieder für spannende Abenteuer sorgendes Unheil sind zahlreich in diesem zweiten Band.

Hier geht es zur Rezension des ersten Bandes: Die Chroniken von Mistle End 1 — Der Greif erwacht.

Bibliographische Angaben
Benedict Mirow: Die Chroniken von Mistle End 2 — Die Jagd beginnt, Thienemann-Esslinger (2021)
ISBN: 9783522185721

Bildquelle
Benedict Mirow, Die Chroniken von Mistle End 2
© 2021 Thienemann-Esslinger Verlag GmbH, München

bookmark_borderBenedict Mirow: Die Chroniken von Mistle End 1 — Der Greif erwacht

Was für eine wunderschöne, superspannende, so leicht und so dicht erzählte fantastische Geschichte! Für die Dauer der Lektüre bin ich wieder zur Zehnjährigen geworden und ganz in der aufregenden Welt von Cedric und seinen Freunden in dem geheimnisvollen schottischen Ort Mistle End versunken.

Cedric zieht mit seinem Vater, Professor für Mythologie und Fabelwesen, weit hinaus in die schottischen Highlands, nach Mistle End, das sich als höchst beunruhigender und faszinierender Ort entpuppt. Kein Wunder, denn er ist, wie Cedric erst ungläubig, dann begeistert feststellt, bevölkert von magischen Wesen, was normalen Menschenaugen jedoch verborgen bleibt. So sind die Geschwister Elliot und Emily, mit denen er sich rasch anfreundet, in Wirklichkeit ein Hexer und eine Gestaltwandlerin — beide freilich noch in der Ausbildung, so dass nicht jeder Zauberversuch einwandfrei gelingt. Doch auch in Cedric — und das ist die zweite große Überraschung — schlummern magische Kräfte! Doch welche genau und wie er sie sinnvoll und zum Guten einsetzen kann, das muss er erst noch herausfinden…

Schwere und gefährliche Prüfungen warten auf ihn, und nicht von allen wird er freundlich willkommen geheißen. Als Mistle End von dämonischen Raben angegriffen wird, macht man gar ihn als Neuankömmling für die Bedrohung verantwortlich! Doch gemeinsam mit seinen Freunden und so manch unerwartetem Beistand aus der magischen Welt stellt er sich mit Mut, Herz und Verstand all den Herausforderungen, die den Leser bis zur letzten Seite gebannt mitfiebern lassen.

Besonders fasziniert haben mich all die drolligen, imposanten, sympathischen und auch unangenehmeren Gestalten, die Mirow mit großem Erzähltalent und Fantasie zum Leben erweckt: von den irrlichternden Flirrelfen über die rockigen Dunkelelben, unheimlichen Dornhexen bis hin zu den metallisch schnarrenden Wasserspeierboten des magischen Rats. Und auch ein stotternder Außenseiter spielt eine wichtige Rolle und ist nur ein Beispiel dafür, dass der Autor auf einfache Schwarzweißzeichnung verzichtet und stattdessen eine sehr plastische, lebensnahe und eben auch spannungsreiche Welt in allen Schattierungen erschafft, in der die Konflikte komplexer und psychologisch vielschichtiger sind als reine Fantasy-Kämpfe zwischen Gut und Böse.

So gelingt es ihm auch hervorragend, mit seiner Hauptfigur Cedric und den Herausforderungen, vor die er ihn stellt, die Lebens- und Gefühlswelt der Kinder abzubilden, ihre Ängste und Sorgen, ihre Begeisterung, ihren Witz und ihren Mut. Hinzu kommt ein immer wieder durchscheinender feiner und auflockernder Humor, etwa wenn sich die Geschwister gegenseitig aufziehen, wenn rasante Besenflüge im Schneehaufen enden oder wenn schrullige Wesen mit noch schrulligeren Eigenheiten ihren Auftritt haben.

Eine absolut empfehlenswerte Initiations- und Abenteuergeschichte, die in sich ein stimmiges Ende findet, aber zugleich in die Vergangenheit und in Hinblick auf zukünftige Bewährungsproben offen und somit zu meiner größten Freude bereit für eine Fortsetzung ist.

Ich habe gehört, der Autor schreibt schon an Teil 2 — trotz meiner Ungeduld hoffe ich, dass er sich ganz viel Zeit dafür nimmt, damit er genauso gelungen wird wie Teil 1!

Altersempfehlung
Ab 10 Jahren

Bibliographische Angaben
Benedict Mirow: Die Chroniken von Mistle End 1 — Der Greif erwacht, Thienemann-Esslinger (2020)
ISBN: 9783522185400

Bildquelle
Benedict Mirow, Die Chroniken von Mistle End 1
© 2020 Thienemann-Esslinger Verlag GmbH

bookmark_borderHolly-Jane Rahlens: Das Rätsel von Ainsley Castle

Elizabeth, für ihre Freunde Lizzy, zieht mit ihrem Vater zu dessen Freundin — die zu Lizzys Leidwesen bald seine Frau sein wird — an die schottische Küste. Anstatt sich an der idyllischen Gegend zu erfreuen und das neue Familienleben zu genießen, fühlt sich Lizzy in der neuen Umgebung unwohl, ihrer Stiefmutter in spe begegnet sie mit Misstrauen, merkwürdige Schwindelanfälle setzen ihr zu. Aber dann lernt sie den hübschen Mack kennen und kurz darauf auch Betty, die ihr bis aufs Haar gleicht und eine weniger aufmüpfige, weniger aufgeweckte, weniger belesene, wenngleich sehr sympathische und scheinbar perfektere Version ihrer selbst ist. Unversehens sieht sich Lizzy in ein rätselhaftes und ziemlich gefährliches Abenteuer katapultiert. Sie erhält seltsame, bedrohliche Emails von einem unbekannten Absender, der in ihre geheimsten Gedanken und Gefühle hineinblicken kann, ihr Vater schwebt in Lebensgefahr und Lizzy ist sich nicht sicher, welchem Erwachsenen sie noch trauen kann. Zum Glück stehen ihr mit Mack und Betty zwei treue und mutige Freunde zur Seite, und die drei machen sich auf den Weg durch den Wald zur sagenumwobenen Burgruine, um die drohende Gefahr noch irgendwie abzuwenden…

Die Autorin erzählt ihre etwas andere Abenteuergeschichte lebendig und spannend und aus der erfrischenden Perspektive eines verunsicherten und zugleich mutigen, störrischen und zugleich sensiblen Teenagers. Das Besondere ist, dass der Familien-, Liebes- und Abenteuerroman bald fiktionsironisch gebrochen wird, als sich die drei Figuren wie ein Zitat von Pirandello auf die Suche nach ihrer Autorin machen und eine kleine Deutschstunde in Sachen allwissender und personaler Erzähler in den Roman eingebaut wird, die vielleicht etwas didaktisch daherkommt, aber immerhin wesentlich zur Rettung aus der Gefahr beiträgt. Schließlich bleibt Das Rätsel von Ainsley Castle trotz der nicht ganz überzeugenden Auflösung des Konflikts ein sehr unterhaltsamer Freundschafts- und Abenteuerroman.

Altersempfehlung
Ab 11 Jahren

Bibliographische Angaben
Holly-Jane Rahlens: Das Rätsel von Ainsley Castle, Rowohlt (2020)
ISBN: 9783499217470

Bildquelle
Holly-Jane Rahlens, Das Rätsel von Ainsley Castle
© 2020 Rowohlt Verlag

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