bookmark_borderBernhard Jaumann: Banksy und der blinde Fleck

Nach NS-Raubkunst und Artnapping bestimmt im dritten Fall, in dem der Autor Bernhard Jaumann seine fiktive Münchner Kunstdetektei von Schleewitz ermitteln lässt, wieder eine brisante Erscheinung in der Welt der Kunst und des ihr eng verbundenen Markts die Krimihandlung.

Scheinbar kreuz und quer in München verteilt tauchen sogenannte Stencils, mithilfe einer Schablone aufgetragene Graffiti, auf, die auf den ersten Blick ganz klar die Handschrift des berühmten britischen Streetartkünstlers Banksy tragen, der trotz wilder Spekulationen seine Identität bis heute geheimhalten konnte. Eine Sensation — die von verschiedenen, Profit witternden Akteuren vorangetrieben wird, offensiv von der Lokalzeitung, etwas mehr im Verborgenen, doch nicht weniger skrupellos von einer namhaften Kunstgalerie, einem Münchner Auktionshaus sowie einem ansässigen Antiquitätenhändler.
Die bereits aus den ersten beiden Bänden bekannten Kunstdetektive Rupert von Schleewitz (Chef und Inhaber der Detektei, mit deren Finanzen es gerade nicht zum Besten steht), Klara Ivanovic (Kunstwissenschaftlerin und Tochter eines eigenwilligen ehemaligen Performancekünstlers mit Parkinson) und Max Müller (Familienvater und für die Recherche zuständig) lassen sich natürlich nicht so leicht blenden und gehen den zahlreichen Ungereimtheiten nach, die im Kontext der fortwährend auf mysteriöse Weise auftauchenden Graffiti zu beobachten sind.

Dem Autor gelingt es auch diesmal, ganz aus einer überzeugenden Romanhandlung heraus ein spannendes und streitbares Phänomen der Kunst, das der Streetart, bewundernswert vielschichtig zu verhandeln: die umstrittene Existenz dieser Kunstform an der Grenze zwischen Kunst und Sachbeschädigung, ihre Flüchtigkeit, die im skandalträchtigen Widerspruch zu ihrer Vermarktung zu teils absurd anmutenden Preisen steht, die Frage nach ihrer Authentizität und ihrem künstlerischen Wert, der weniger in ihr selbst als im mit ihr zu einer Marke verschmolzenen Namen liegt. Zugleich, und das hat mir besonders an dem Text gefallen, problematisiert der Autor in Verbindung mit dem Thema Streetart auch die Großstadt und ihre weniger glanzvollen Erscheinungen der Verwahrlosung und des Prekariats, die im himmelschreienden Widerspruch zur profitorientierten Realitätsferne prominenter Auktionskunst stehen, die ihrerseits mit dem Ideal einer uneigennützigen Kunst, deren Urheber hinter seinem Werk und seiner Botschaft zurücktritt, in einen spannungsvollen Kontrast tritt.

All das hat Bernhard Jaumann in eine stimmige Krimihandlung integriert, in der Gänsehaut nicht durch die Schilderung spektakulärer Mordfälle entsteht, sondern durch eine sich immer deutlicher aufdrängende Ahnung, dass Achtlosigkeit und Ignoranz genauso gewaltsam sein können und viele Taten im Moloch der Großstadt ebenso anonym bleiben wie der Urheber der angeblichen Banksy-Graffiti in dieser Geschichte.

Bibliographische Angaben
Bernhard Jaumann: Banksy und der blinde Fleck, Galiani-Berlin 2023
ISBN: 9783869712734

Bildquelle
Bernhard Jaumann, Banksy und der blinde Fleck
© 2023 Verlag Galiani Berlin bei Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co KG, Köln

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