bookmark_borderKamel Daoud: Zabor

Scheherazade erzählt, um zu überleben, Nacht für Nacht. Ismael, der Ich-Erzähler des algerischen Autors Kamel Daoud, für seine literarische Gegendarstellung von Camus‘ L’Etranger (in Meurseault, contre-enquête, 2014) auch dem deutschen Publikum bekannt, macht seinerseits die Nacht zum Tag und erzählt, um Leben zu retten. Er möchte Scheherazade sogar noch übertreffen, indem er, schreibend, erzählend, nicht sein eigenes Leben, sondern das all der anderen, die dem Tode auf irgendeine Weise nahekommen, verlängert. Doch als auf einmal sein eigener Vater, der, der ihn als kleinen Jungen zusammen mit der Mutter verstoßen hat, im Sterben liegt, gerät er in eine Krise.

Aus dieser Krise versucht sich Ismael, und hier setzt der Roman ein, wiederum mit dem Mittel der Sprache zu befreien: Er schreibt seine eigene Lebensgeschichte nieder, die Geschichte des Sohnes, der früh die Mutter verloren hat, der vom Vater, einem traditionell lebenden Schafhirten, verstoßen wird, der ungerechterweise beschuldigt wird, seinem Halbbruder Gewalt angetan zu haben, der bei der Tante aufwächst, die unverheiratet geblieben ist und halbe Tage mit dem Schauen von Telenovelas verbringt; er erzählt von seinen epileptischen Anfällen und seiner Gabe des Memorierens endlos langer Koranverse, von seiner Entdeckung französischer Romane, von seiner krächzenden Stimme, die Anlass für Spott und Häme seiner Mitschüler ist und ihn schließlich seine Erfüllung im geschriebenen Wort und der nächtlichen Dunkelheit suchen lässt. Er erzählt davon, wie es dazu kam, dass er der magische Geschichtenschreiber des Dorfes geworden ist, ein Außenseiter, den die Leute beargwöhnen und doch in ihrer Not immer wieder um Hilfe bitten. Wie sie an ihn und seine außergewöhnliche, den Tod überlistende Gabe glauben wollen.

Kamel Daoud hat für seinen Wunder wirkenden Erzähler eine Sprache gefunden, die selbst sehr an ein Märchen oder mehr noch einen Mythos erinnert. Die märchenhafte Verwandlung des armen Waisenjungen in einen Wunderheiler ist auch die eines mythischen Sündenbocks in ein magisches, die Macht des Todes bannendes Opferlamm. Wie im Mythos haben Namen eine symbolische, geradezu performative Bedeutung. Zunächst nennt sich der Ich-Erzähler Ismael, wie der erste Sohn Abrahams, der mit seiner verstoßenen Mutter Hagar in die Wüste geschickt wird. Im Koran ist Ismael auch der Sohn, der geopfert werden soll, und nimmt damit die Rolle des Opferlamms ein, die in der christlichen Bibel Isaak zugewiesen wird. Im Text werden noch zahlreiche weitere Hinweise auf das von René Girard als „Sündenbockmechanismus“ bezeichnete Bewältigungsritual traditioneller Gesellschaften gestreut, in dem der Ich-Erzähler die zentrale Funktion des Opferlammes einnimmt. Ismael hat viele Merkmale eines Außenseiters, allen voran seine mit dem Meckern einer Ziege verglichene Stimme, für die er sich schämt und die ihn, wie bereits erwähnt, einen abnormalen, dem der anderen Dorfbewohner entgegengesetzten Lebensrhythmus entwickeln lässt. Und wie von einem mythischen Sündenbock wird auch von Ismael behauptet, dass er Schuld auf sich geladen habe, nämlich die, als Kleinkind seinen Halbbruder in den Brunnen gestoßen zu haben. Ismaels Vater besitzt außerdem nicht zufällig Vieh, das er zu seinem Lebensunterhalt sowie zu rituellen Anlässen schlachtet. Es werden blutige Opferfeste geschildert, die Ismael abstoßend findet, so wie er übrigens auch die Tradition und die Religion, die in seinem Dorf noch eine wichtige Rolle spielen, mit großer Skepsis betrachtet.

Gleichwohl ist auch Ismael selbst in einer Welt aufgewachsen, in der Aberglauben, Rituale und magisches Denken das Handeln der Menschen bestimmen. Doch während die Dorfbewohner weiterhin Angst davor haben, dass das geschriebene Wort jemanden verfluchen kann, wendet der Ich-Erzähler diesen Glauben irgendwann ins Positive. Die Literatur wird zur Magie jenseits eines immer auch Gewalt und Ausschluss implizierenden Opferdenkens. Sie kann, das hat Ismael am eigenen Leib erfahren, beleben, erwecken, heilen. Warum soll sie es also nicht auch mit dem Tod aufnehmen können? Um seine Wandlung komplett zu machen, gibt sich Ismael einen neuen Namen, nachdem er seine Gabe erkannt hat. Er nennt sich von nun an Zabor. Zabor oder Zabūr ist nach der Lehre des Islam das heilige Buch, das Dawud (David) von Allah offenbart wurde, wahrscheinlich sind damit die Psalmen gemeint.

Kamel Daoud belässt es jedoch nicht bei einem der Zeit enthobenen Märchen. Seine Erzählung, das macht schon die sorgsam eingearbeitete Intertextualität deutlich, geht einen Dialog mit den großen Texten und kulturellen Traditionen der östlichen und westlichen Geschichte ein, und sie setzt sich auf komplexe Weise mit der Kolonialgeschichte Algeriens auseinander. Dem Ich-Erzähler eröffnet sich mit den Romanen, die er auf französisch liest, eine neue Welt, die Sprache der Kolonisatoren, die selbst nicht frei von Gewalt ist, bringt ihn dazu, seiner Berufung zu folgen und zu schreiben. Doch was er schreibt, das sind auf den Volksglauben zurückgehende magische Texte, so dass er eine Art Versöhnung von Altem und Neuem herbeizuschreiben imstande ist. Das gelingt ihm freilich nur, indem er selbst ein Leben im Schatten führt, in einer schmerzenden, subversiven Auflehnung gegen die immer noch vorherrschenden patriarchalen Strukturen, innerhalb derer Sexulität ein Tabu ist und Frauen unterdrückt werden. Als Sohn einer Verstoßenen liebt der Ich-Erzähler seinerseits eine Verstoßene, und führt ein Leben abseits der Norm. Doch auch die Gewalt, die Algerien als ehemalige Kolonie erlebt hat, bleibt in Kamel Daouds metapherngleich verdichtetem Mythos von der wunderwirkenden Kraft der Sprache nicht unausgesprochen. Und da Gewalt, wie es der Sündenbockmechanismus zeigt, eigentlich immer im herablassenden, furchtsamen, feindseligen Blick auf den anderen, dem die Zugehörigkeit zur eigenen Gruppe verschlossen wird, ihren Ursprung hat, dreht Kamel Daoud in seiner Erzählung den Spieß um und lässt in einer so naheliegenden wie verblüffenden Umkehrung des Exotischen die französischen Romane, die Ismael verschlingt, als Gipfel der Faszination und des Kuriosen erscheinen.

Zabor liest sich wie ein endloser Psalm, mal lyrisch, mal bedrohlich, ein stürmisches Hohelied der Sprache, das nicht gerade eine leichte Sofalektüre ist, aber durch die Sprache den Blick und die Sinne schärft und herausfordert.

Bibliographische Angaben
Kamel Daoud: Zabor, Actes Sud 2017
ISBN: 9782330081737

Deutsche Ausgabe:
Kamel Daoud: Zabor, übersetzt von Claus Josten, Kiepenheuer & Witsch 2019
ISBN: 9783462052022

Bildquelle
Kamel Daoud, Zabor
© 2023 Les Editions Actes Sud, Société anonyme à directoire, Arles


bookmark_borderSally Rooney: Schöne Welt, wo bist du

Schon Gespräche mit Freunden, den ersten Roman der irischen Autorin Sally Rooney, habe ich gerade deshalb so gerne gelesen, weil Rooney ihre Figuren mit so leicht wirkender Feder in ihren Worten und Gedanken den Lesern nahekommen lässt, auch wenn sie einer anderen Lebenswelt angehören als man selbst. Auch in ihrem inzwischen dritten und wieder von Zoë Beck übersetzten Roman, Schöne Welt, wo bist du, ist man schon nach den ersten Seiten ganz bei den zwei Hauptfiguren, zwei jungen Frauen aus Irland, einer Schriftstellerin und einer Verlagsmitarbeiterin, deren Innenwelten sich im erzählerischen Perspektivenwechsel einer elektronischen Brieffreundschaft entfalten.

Das erzähltechnisch Auffällige und, wie ich finde, auch besonders Spannende und Spannungsreiche, ist in diesem Roman allerdings ein stilistischer Bruch, der dadurch entsteht, dass zwischen die Kapitel der Korrespondenz, in der die Ich-Perspektive eine tiefe Einfühlung in die Gefühle und Gedanken der Figur ermöglicht, noch eine weitere Erzählperspektive eingeschoben wird, die im Gegensatz dazu einen kühlen, nüchternen Blick von außen auf das Geschehen richtet. In externer Fokalisierung werden die Figuren und ihr Handeln wie mit einer Filmkamera gezeigt, es wird ganz nah herangezoomt, ohne in ihr Inneres hineinzuschauen.

Im Fokus dieses kühlen Kamerablicks sowie der in deutlich erhitzterem Ton verfassten Mails stehen vier junge Menschen aus Irland, vier junge Europäer, könnte man vielleicht auch sagen: die Freudinnen Alice und Eileen, von denen sich die eine, die Schriftstellerin, zum Schreiben, oder für einen Bruch mit ihrer bisherigen umtriebigen Lebensweise, in ein Haus auf dem Land zurückgezogen hat, während die andere in Dublin geblieben ist, wo sie in bescheidenen Verhältnissen für eine Literaturzeitschrift arbeitet; und in gewisser Symmetrie dazu die beiden Männer Felix und Simon, die man nur aus der Außenperspektive der beiden Frauen und, in wiedererkennbarem Rooney-Duktus gestaltet, aus derjenigen der wiedergegebenen Dialoge kennenlernt. Diese vier stehen in nicht ganz eindeutig zu bestimmenden näheren Verhältnissen der Freundschaft, der Liebe, und eines fließenden Dazwischen, zueinander. Ihre freundschaftlichen und amourösen Beziehungen bilden das Zentrum des Romans, um das sich peripher, aber durch viele kaum auflösbare Knoten verknüpft, die in unserem Jahrhundert großen Themen des Arbeitens, Wohnens und ganz allgemein des Lebenswandels legen. Anders, als es heute bisweilen dargestellt wird, sind diese jungen Leute aber keine apolitischen, weltfremden Ignoranten ihrer Umwelt, sondern sich ihres Daseins in einer krisengeschüttelten Welt sehr bewusst. Lebenskrisen, Beziehungskrisen und gesellschaftliche Krisen gehen in ihrer sensiblen Wahrnehmung jedoch ineinander über, Selbstzweifel und Selbstironie liegen manchmal nah beieinander, ohne deshalb gleich der Versuchung des Relativierens zu erliegen.

Gerade im Medium des elektronischen Briefes, der sich freilich in Buchform auch nicht anders liest als eine klassische Korrespondenz, verschmelzen Emotionalität und Intellektualität auf eine nach Offenbarung suchende Weise miteinander. Der Anklang an den Briefroman, als literarischer Ausdruck der Empfindsamkeit, als Feier der Freundschaft und der Authentizität, ist nicht zu übersehen. Und doch, alles andere würde heute wahrscheinlich als naiv bezeichnet werden, steht er unter anderen Vorzeichen. Die Briefeschreiberinnen nehmen kein Blatt vor den Mund, scheuen keine Direktheit, ihre Worte könnten für die andere sehr verletzend sein, wenn sie sich nicht so gut kennen und verstehen würden. Ehrlichkeit und Schonungslosigkeit sind oft nicht voneinander zu trennen, doch Sally Rooney lässt auch Wärme und Humor durch ihre Zeilen hindurch schimmern und geht nicht soweit, ein gewisses Wohlgefühl des Lesers zu zerstören. So wird das Briefeschreiben zu einem feinen, einem präzisen, verästelten Befragen und Selbstbefragen, ein permanentes Suchen nach der richtigen Deutung. Immer wieder wird eine neue Facette eines Gefühls, einer Handlungsmotivation ergänzt, mit feinsten Antennen ein noch so kleines intellektuelles Detail oder eine emotionale Schwingung aufgespürt. Das Einander-Schreiben wird zum Ausdruck einer fortwährenden und letztlich unabschließbaren Suche nach Wahrheit, nach der Wahrheit über den anderen, über sich selbst, über die gegenseitigen Beziehungen. Dabei tasten sich die beiden Briefeschreiberinnen fast zwangsläufig an eine Metaphysik heran, die sie sonst aus Verstandesgründen ablehnen, die ihrer Aufgeklärtheit, ja manchmal geradezu Abgeklärtheit zu widersprechen scheint. Je länger sie schreiben, desto mehr kommt auch ihre Verletzlichkeit, die sie zugleich fürchten und ersehnen, an die Oberfläche der Worte.

In derselben Weise, in der, vorsichtig und doch mit Nachdruck, an der Oberfläche der Gefühle gekratzt und dann richtig gegraben wird, seziert der Roman auch die gegenwärtigen Diskurse über Beziehungen, Geschlechterrollen, Identität, gerade ohne das Deckmäntelchen einer es sich zu einfach machenden politischen Korrektheit. Dieses wird ohne Scham heruntergezogen, und enthüllt erstaunlicherweise ein anderes Erleben von Schamhaftigkeit, die eigene Verletzlichkeit und die des anderen.

Der Titel des Romans zitiert einen Vers aus einem berühmten Gedicht von Friedrich Schiller, Die Götter Griechenlands, ein nostalgischer Verweis auf eine vom Göttlichen erfüllte Natur, Ausdruck einer längst nicht mehr zu stillenden Sehnsucht nach einer beseelten mythischen Ursprungszeit; und gleichzeitig klingt in dieser Zeile auch Aldous Huxleys „schöne neue Welt“ an, in der die Utopie ja klar ins Negative gewendet wird. Beides, die Sehnsucht und die Entzauberung, widerstreiten in Sally Rooneys Roman, in dem sich die Autorin wieder als eine Stilistin des Dialogs erweist, des locker leichten und niemals bloß oberflächlichen Gesprächs.

Bibliographische Angaben
Sally Rooney: Schöne Welt, wo bist du, Claasen 2021
Aus dem Englischen von Zoë Beck
ISBN: 9783546100502

Bildquelle
Sally Rooney, Schöne Welt, wo bist du
© 2021 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

bookmark_borderWolf Haas: Eigentum

Wenn Wolf Haas die Lebensgeschichte seiner Mutter in Erzählform packt, dann ist klar, dass daraus kein pathetischer Roman entsteht, auch wenn das Leben seiner Mutter, die 1923 in ein es nicht gerade gut mit ihr meinendes Jahrhundert geboren wurde, durchaus Stoff dafür bereitgehalten hätte: Im zarten Mädchenalter aus einer kinderreichen Familie als Dienstmagd zu einem wohlhabenderen Bauern in Pflege gegeben, als junge Frau im Krieg zum Arbeitsdienst nach Deutschland verschickt, mit einem Baby im Bauch die Schweiz verlassend, wo sie als Nichtschweizerin noch dankbar für den mageren Lohn sein musste, den sie verdiente, aus dem inzwischen auch mit ihren hart erarbeiteten Ersparnissen neu erbauten Elternhaus bald wieder verjagt, hat sie erst spät im Leben einen eigenen Platz gefunden, und auch der war sehr beschränkt — und nur zur Miete.

Doch Haas, der das wohlmeinend-kategorische Diktum seines älteren Dichterkollegen, „Lass weg, Haas“, mit einer deutlichen Spur Selbstironie verinnerlicht hat, geht die Sache anders an. In nüchtern-charmantem Wolf-Haas-Ton, der hier doch trotz aller schroffen, kratzbürstigen Direktheit auch eine nicht wegzuschreibende Sohnesliebe zur inzwischen kurz vor dem Tod stehenden Mutter durchscheinen lässt, erinnert er sich bei einem Besuch in seinem Geburtsort, der nun auch der Sterbeort seiner Mutter wird, und während er eigentlich eine Poetikvorlesung konzipieren will, an die oft mantraartig wiederholten Bruchstücke von Erzählungen und Lebensweisheiten, die seine Mutter ihm, seit er denken kann, wieder und wieder in ihrem vom Autor natürlich köstlich wiedergegebenen österreichischen Dialekt vorgebetet hat, so dass schon der kleine Wolf Haas ihre einer vielfach enttäuschten Hoffnung erwachsenen Glaubenssätze zum Sparen und Erwerben eines eigenen Heims verinnerlicht hat. Ironischerweise wird ihr der lebenslang gehegte Wunsch erst nach dem Tod erfüllt, ihr erstes Eigentum sind die paar Quadratmeter Friedhofserde, in die sie als Tote gebettet wird, was ihr am Ende ihres Lebens zur anfänglichen Irritation ihres Sohnes ein Grund zur Genugtuung wird.

Das Reflektieren solcher absurd wirkender und doch in voller Überzeugung gelebter Glaubenssätze ist der Gegenstand der Erzählung, in der mal schalkhafte, mal bitterböse Ironie und anteilnehmende Rekonstruktion eines vom Schicksal durcheinander gewirbelten Lebens einander nicht ausschließen.

Bibliographische Angaben
Wolf Haas: Eigentum, Hanser 2023
ISBN: 9783446278332

Bildquelle
Wolf Haas, Eigentum
© 2023 Carl Hanser Verlag, München

bookmark_borderVictor Jestin: La chaleur

La chaleur, die Hitze, ist ein heißes, erstickendes Kammerspiel, das sich im kurzen Zeitraum von nicht einmal zwei ganzen Tagen an der so gar nicht frischen, sondern vor Hitze flirrenden Luft eines französischen Campingplatzes am Atlantik in den Landes abspielt.

Geschrieben hat das Buch der junge Autor Victor Jestin, Jahrgang 1994, der dafür in Frankreich auch schon mehrfach ausgezeichnet wurde. La chaleur ist sein Debüt, ein aus der Perspektive des 17-jährigen Léonard erzählter Jugendroman, der stilistisch und psychologisch eindrucksvoll geschrieben ist und seinen Lesern emotional einiges abverlangt. Dem Text fast wie eine Warnung vorangestellt ist ein Zitat aus Büchners Woyzeck, über dessen gleichnamige Hauptfigur im Laufe der Theaterhandlung, sinngemäß, eine andere sagt, sie sei in ihrem Wahn zum offenen Rasiermesser für die Welt um sie herum geworden.

Die Schockstarre, in die einen gleich die ersten Zeilen von La chaleur versetzen, hat nichts Rasiermesserblutiges an sich und doch lässt sie einen wie in der eigenen voyeuristischen Leserperspektive ertappt innehalten. Es wird geschildert, wie Léonard, ein Jugendlicher, der seine Sommerferien an einem Campingplatz am Meer verbringt, im Schutze der Dunkelheit beobachtet, wie ein anderer Jugendlicher, Oscar, den Léonard nur flüchtig kennt, sich im trunkenen Zustand selbst tötet, wie er sich in die Seile der Schaukel eindreht, auf der er sitzt, wie er sich irgendwann nicht mehr herauswinden kann und sich so langsam, qualvoll selbst erwürgt. Wie der Leser verhält sich auch Léonard in dieser Szene wie ein Voyeur, wie gelähmt begnügt er sich damit, zuzuschauen, ja er sieht dem anderen sogar direkt in die Augen, greift aber nicht ein, tut nichts, die schreckliche Tat zu verhindern. Auch unmittelbar danach steht Léonard immer noch wie neben sich, er begreift selbst nicht, warum er das Schreckliche, warum er den Tod zugelassen, warum er nicht gehandelt hat. Was er aber begreift, ist, dass er durch seine Passivität Schuld auf sich geladen hat. Doch er handelt weiter irrational. Anstatt Hilfe zu holen oder auch einfach nur abzuhauen, vergräbt er den Leichnam des Jungen am Strand in den Dünen.

Während der ganzen Erzählung ist man kontinuierlich in den Gedanken von Léonard, erlebt alles aus seiner Sicht. Das ist schockierend, intensiv, und verwirrenderweise auch berührend, man fühlt mit ihm und ist zugleich abgestoßen von seinem (Nicht-) Verhalten. Jestin lässt uns auf diese Weise in großer Eindringlichkeit miterleben, wie Léonard den darauffolgenden Tag verbringt, die darauffolgende Nacht, und die weiteren Tage bis zu seiner Abreise. Man lernt den Jugendlichen und seine Innenwelt immer genauer kennen, erfährt, dass Léonard eigentlich alles andere als einer der feierwütigen Teenager ist, die sich auf dem Campingplatz tummeln, dass er sich auf all den Partys eher fehl am Platz fühlt und nicht so recht Anschluss zu finden vermag. Auch an jenem fatalen Abend hatte er sich früher zurückgezogen und die Einsamkeit gesucht. Man erfährt auch, wie Léonard mit seinen kleinen Geschwistern umgeht, wie er mit seinen Eltern klar kommt, wie er — aus Pflichtgefühl, aus Neugier, schlechtem Gewissen, dem Wunsch zu reden — bei Oscars Mutter vorbeischaut, und wie er sich in ein Mädchen verliebt, das am Vortag ausgerechnet mit Oscar geflirtet hatte; wie er sich, so wie Oscar in den tödlichen Seilen der Schaukel, in einer hitzigen Gedankenspirale an den toten Jungen verfängt, und wie er immer wieder Anstrengungen unternimmt, zu reden, zu beichten, und es doch nicht über sich bringt.

Die titelgebende Hitze, die natürlich symbolischen Charakter hat, macht Jestin zur sichtbaren oder besser spürbaren Begleiterin der innerlichen Turbulenzen, die Léonard durchlebt. Fast erscheint seine „Tat“ als notwendige Konsequenz der Jahr für Jahr und auch in diesem Sommer immer unerträglicher werdenden Temperaturen:

Depuis quelques étés déjà, la chaleur ne cessait de s’intensifier. Chaque année elle surgissait plus tôt, cette fois dès février, et on l’avait accueillie sans crainte, trop heureux de finir l’hiver, on avait dressé les terrasses des bars sans présager du pire. Je me demandais à compter de quel degré ce serait trop. Tout se renverserait. On fuirait ce camping comme on saute d’un appartement en flammes (…).

Schon seit einigen Sommern nahm die Hitze unablässig an Intensität zu. Jedes Jahr kam sie früher, dieses Mal schon im Februar, man hatte sie furchtlos begrüßt, freute man sich doch zu sehr, dass der Winter endlich zu Ende war, man hatte die Terrassen der Bars geöffnet, ohne das Schlimmste zu ahnen. Ich fragte mich, ab wieviel Grad der Punkt überschritten wäre. An dem sich alles umkehren würde. Man würde vom Campingplatz flüchten, so wie man aus einer brennenden Wohnung springen würde (…).

Jestin, Chaleur, S. 33, Übersetzung der Rezensentin

An diesem Kipppunkt, das ist die erzählerische Kunst des jungen französischen Autors, bewegt sich die ganze Erzählung. Die Hitze des Sommers wird zu einem flirrenden Bild für das überhitzte Verhalten auch der anderen Teenager, all der flirtenden Mädchen, der aggressiven halbstarken Jungen, des unglücklichen berauschten Oscar. Bei Léonard ist die Hitze auch ganz deutlich an ein Empfinden der Enge, der Bedrängnis im Inneren gekoppelt, so dass er bisweilen mit einer scheinbar paradoxen Gefühlskälte auf die äußere Überhitzung reagiert. Das schließt nicht aus, dass sich hinter einer solchen scheinbar emotionslosen Haltung ein sehr sensibler Junge verbirgt; seine innere Stimme, die das Geschehene, die den toten Oscar nicht aus dem Gedächtnis vertreiben kann, spricht Bände, und man leidet beim Lesen mit, erlebt seine Ohnmacht, seine Hemmungen gegenüber seinen Altersgenossen fast wie am eigenen Leib. Mit einfachen und doch immer wieder genau ins Herz treffenden Worten schildert Jestin die unbeholfenen Versuche eines introvertierten und zutiefst aufgewühlten Jungen, mit anderen in Kontakt zu treten, wie etwa mit Louis, einem anderen Teenager auf dem Campingplatz, zu dem sich eine flüchtige Freundschaft anbahnt:

J’ai voulu lui [Louis] tapoter l’épaule, lui dire un mot, faire quelque chose, mais rien n’est venu. J’ai tenté d’imaginer ce que cela faisait d’être lui en permanence, mais je n’ai pas réussi non plus.

Ich wollte ihm [Louis] auf die Schulter klopfen, ihm etwas sagen, irgendetwas tun, aber es kam nichts aus mir heraus. Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie es wäre, ständig in seiner Haut zu stecken, aber auch das habe ich nicht fertiggebracht.

Jestin, Chaleur, S. 67, Übersetzung der Rezensentin

Trotz der beklemmenden Hitze allerorten wird der Roman nicht gänzlich von einer düster-schweren Atmosphäre erdrückt, denn Jestin gelingt es, ohne Stilbruch auch leichtere Szenen einzubauen, kurze Einblicke in den Familienalltag zu geben oder das zarte und zugleich herausfordernde Entstehen einer Freundschaft, einer Liebe zu schildern, die das Camp nicht überdauern werden. Eine Melancholie der Zeitlichkeit liegt über allem, das Leichte und das Schwere sind nicht voneinander zu trennen, sind eng verschlungen im so eindringlich erzählten Kosmos einer jugendlichen Suche nach Liebe und Wahrheit. Victor Jestins Text ist vielleicht nicht unbedingt nur ein Jugendroman, sondern vor allem ein überzeugendes psychologisches Sommerstück, das einen Blick hinter die idyllischen Kulissen der Sandstrände wirft und in einer poetischen klaren Sprache die Desillusionierung eines schmerzhaft der Kindheit entwachsenen Teenagers erzählt, die fast als Parabel für die gegenwärtige Desillusionierung der Menschheit über sich selbst gelesen werden könnte.

C’est beau les Landes, disaient les gens. L’air est pur, il fait chaud, on a l’océan devant soi. Personne ne disait: C’est terrible, les Landes. C’est le faux calme des pins, le fracas des vagues dont on sait bien qu’elles on déjà tué, et tous ces rires et cris de jouissance mêlés en un même écho sourd […].

Wie schön die Landes sind, sagten die Leute. Die Luft dort ist klar, es ist warm, der Ozean liegt vor einem. Niemand sagte: Wie schrecklich die Landes sind. Die trügerische Ruhe der Pinien, der Lärm der Wellen, die, wie man genau weiß, schon den Tod gebracht haben, und all das Gelächter und die Schreie der Lust, die sich im selben dumpfen Echo miteinander vermengen […].

Jestin, Chaleur, S. 47, Übersetzung der Rezensentin

Bibliographische Angaben
Victor Jestin: La chaleur, Flammarion 2019
ISBN: 9782081478961
In deutscher Übersetzung von Sina de Malafosse ist Victor Jestin: Hitze 2021 bei Kein & Aber erschienen.

Bildquelle
Victor Jestin, La chaleur
© Éditions Flammarion SA, Paris



bookmark_borderDrago Jančar: Als die Welt enstand

Drago Jančar erdichtet in einem mythisch aufgeladenen und doch sehr diesseitigen und geschichtsbewussten Buch den biblischen Mythos von David neu, bringt ihn variantenreich und getragen von einer kraftvollen poetischen Stimme im Jugoslawien der Nachkriegszeit zur erzählerischen Entfaltung. In der so unscheinbaren wie traurigen und zeitlosen Geschichte der schönen jungen Helena, genannt Lena oder Lenca, die ins Haus gegenüber von Danijel einzieht, dem zum Zeitpunkt der Geschichte jugendlichen Erzähler, die sich zuerst in den etwas grobschlächtig und einfältig wirkenden, aber handwerklich begabten Pepi verliebt, dann in den vagabundierenden Frauenhelden Ljubo, sowie in den diese Liebesintrige umwirkenden Geschichten ihrer Nachbarn verwirklicht sich zum wohl xten Mal seit der Entstehung der Welt die Geschichte von David und Goliath, die auch die von David und Batseba ist. Es geht um Gewalt und Begehren, um Gut und Böse, um Ressentiment und Zugehörigkeit, um Kindheit und verlorene Illusionen, um Neuanfänge und alte Wunden.

Der Erzähler Danijel, am Ende des zweiten Weltkriegs geboren, kennt den Krieg nur aus den Erzählungen der Erwachsenen, liest aber überall in Maribor seine Spuren, die sich tief in die Stadt und ihre Bewohner eingegraben haben. Auch wenn die ehemaligen Partisanen mit ihrem Helden Tito die Nazis aus dem jetzt Jugoslawien genannten Land verjagt haben, was die Männer, die aus dem Krieg zurückgekehrt sind, in vielen trunkenen und immer wieder ausartenden Nächten zu feiern versuchen, ist kein Frieden eingekehrt. Die Gewalt des Krieges dauert fort, unverarbeitete Traumata und Ressentiments, zum Beispiel gegen die deutschslowenischen Bewohner der Stadt, kochen immer wieder hoch, es brodeln die Konflikte zwischen Nachbarn, zwischen denen, die an Gott und jenen, die an den Kommunismus glauben, zwischen und innerhalb der Familien. Auch in Danijels Familie gibt es solche explosiven Stellen, die immer dann nach außen sichtbar werden, wenn der Vater wieder zu viel Wein trinkt und die Mutter erwägt, ob sie mit dem Sohn besser über Nacht zu ihrer Schwester flüchten soll.

Auffällig ist an Danijels Erzählung, dass sie doppelt indirekt und zugleich stark ich-aufgeladen ist, die Erzählperspektive ist gewissermaßen gebrochen und hält noch einen zweiten, versteckten, erst ganz am Ende kurz auftretenden oder besser aufblitzenden Erzähler im Hintergrund bereit; oft wird die Ezählung eingeleitet mit „Danijel erzählte,…“, worauf lange Passagen in der Ich-Form folgen. Zwischendurch spricht jedoch auch der versteckte Erzähler, über den man nur mutmaßen kann, dass er ein Freund oder Schüler — oder Chronist — Danijels ist, der dessen Erinnerungen Jahrzehnte später zur Aufzeichnung bringt. Mit Danijel als Erzähler hat es nämlich noch eine weitere Bewandtnis. Sein Name verweist auch auf eine Figur und ein Buch der Bibel, auf den apokalyptischen Seher und Traumdeuter Daniel, als welcher auch Jančars Danijel auftritt, mit einem kindlichen, aber dadurch auch unvoreingenommeneren Blick. Dieser Bezug fügt sich gut in die ohnehin stark biblisch aufgeladene Atmosphäre des Romans. Auch der titelgebende Satz „Als die Welt entstand“ lässt sich lesen als Verweis auf das zyklisch sich wiederholende mythische Geschehen auf Erden, auf das Schicksalhafte, Unausweichliche, auf den Tod und auch die Gewalt, die sich immer wieder wie eine unheimliche Energie entlädt. Alles Religiöse ist in Titos Jugoslawien zwar verpönt, aber doch nicht vollkommen aus dem Leben zu tilgen. Auch für Danijel, den seine Mutter gegen den Willen des Vaters hat taufen lassen und als Jugendlichen weiter heimlich zu den Kapuzinern schickt, ist Pater Aloisius mit seinen Geschichten aus der Bibel eine wichtige, wenn auch ambivalente Bezugsperson.

Einen noch größeren Einfluss hat vielleicht die zweite Bezugsperson Danijels außerhalb der Familie, nämlich Professor Fabjan, der dem neugierigen Jungen mit seinem Globus die Welt erklärt und ihm auch vom Himmlischen das Sichtbare und gleichermaßen Faszinierende begreiflich macht, die Wolkenformationen, in deren Anblick sich Danijel so gerne versenkt, allein in Gedanken für sich oder in Gesellschaft seiner Freundin Vasilka. Denn Danijel möchte die Welt um ihn herum begreifen, die ihm immer wieder so unverständlich erscheint, so seltsam und widersprüchlich, wie im Verhalten der Erwachsenen, so faszinierend und auch grausam, wie in seinen Träumen. In Danijels überwältigter Kinderseele spiegelt sich der Zustand der Welt nach dem Krieg, so dass seine eigene Suche nach einem moralischen Kompass fantastisch apokalyptische Züge annimmt. „Als die Welt entstand“ verweist nämlich auch auf das, das was jeder Mensch erlebt, auf das millionen- und milliardenfach sich wiederholende Entstehen und Reifen und Begreifen des Schmerzlichen und des Schönen in der Welt, das mit dem Zeitpunkt der Geburt beginnt und sich bis zum Tod nicht aufhalten lässt. So beginnt Danijel in der Bewegung zwischen Höllenfahrt und Himmelsflug, die Ewigkeit und Endlichkeit des Lebens spüren.

Schließlich erzählt der Autor in diesem Buch auch eine Geschichte des Verschwindens, das verschiedene Formen annehmen kann. So viele Figuren aus dem Text, die für Danijels Welt der Kindheit und Jugend bedeutsam sind, verschwinden nach und nach: Professor Fabjan, der vielleicht nach Patagonien ausgewandert ist oder doch eher nach Sibirien verbannt oder inhaftiert wurde, wie der Autor selbst es war, der Bruder, der sich in eine weitere Davidsfigur verwandelt und sich als solche nach kurzem Auftritt wieder verliert, Lena, die ins Gefängnis geht und danach nicht mehr dieselbe ist; auch der invalide deutsche Nachbar verschwindet eines Tages von heute auf morgen mit seiner ganzer Familie, auch Vasilka und mit ihr ein erstes zartes, im Entstehen befindliches Liebesgefühl, und auch der Vater, der, durch einen Schlaganfall nun auch körperlich versehrt, aus Danijels Leben und ins ferne Kurhaus verschwindet.

Drago Jančar hat ein eindringliches Buch geschrieben, dessen poetisch-realistischer Ton bisweilen an Robert Seethalers Romane über einfache und gebeutelte Lebensschicksale erinnert, um dann für Momente in einer traumgleichen Opulenz apokalyptischer Visionen aufzubranden.

Bibliographische Angaben
Drago Jančar: Als die Welt entstand, Zsolnay 2023
ISBN: 9783552073586

Bildquelle

Drago Jančar, Als die Welt enstand
© 2023 Carl Hanser Verlag, München

bookmark_borderHarald Martenstein: Wut

Ich kannte Harald Martenstein bisher als Autor humorvoll-satirischer Kolumnen zu allen möglichen Erscheinungsformen des kulturellen und alltäglichen Lebens in unserer bisweilen sehr aufgeregten Gesellschaft. Gespannt war ich daher, wie er einen Roman gestalten würde, der dem Klappentext zufolge ja ein ganz schön hartes Thema verhandelt, eine Mutter-Sohn-Geschichte, die von Gewalt, von Schlägen und Wut, durchzogen ist.

Erzählt wird die Lebensgeschichte des als Kind misshandelten Jungen Frank und auch die seiner ihn misshandelnden Mutter. Der Junge wächst bei seiner teils allein, teils im Beisein anderer Männer erziehenden Mutter auf, die eine große und vor allem unberechenbare Wut in sich trägt, die der kleine Frank immer wieder an Körper und Seele zu spüren bekommt. Unauslöschlich sind vor allem die psychische Folgen, eine vielleicht nach außen gar nicht so sichtbare soziale Verwahrlosung des heranwachsenden, dann älter werdenden Mannes. Seine tief verinnerlichte Beziehungsangst geht, wie auch die in ihm schwelende Wut, auf ein Trauma zurück, das auf ihre Weise schon seine Mutter als junges Mädchen während und nach dem Krieg durchlebte, als ihr, zwischen wechselnden Betreuungspersonen herumgereicht, fast jede Chance genommen wurde, zu einer unversehrten und selbstbestimmten Frau heranzuwachsen.

Der Roman, dessen Fiktionalität der gleichwohl sehr autobiographisch wirkende Ich-Erzähler selbst eingangs hervorhebt und mit der romanesken Auflösung der Geschichte am Ende unter Beweis stellt, geht auch wirklich mit der gleichen Zuspitzung vor, die man aus Martensteins Kolumnen kennt. Der Ton ist vordergründig bissig, ironisch und vor allem sehr direkt und ungeschönt. Gerade so gelingt es Martenstein jedoch, dahinter eine gewisse Verletzlichkeit, eine Zerbrechlichkeit aufscheinen zu lassen, ja man möchte fast das hier gar nicht pathetisch verwendete Wort Liebe in den Mund nehmen, die an manchen Stellen die raue, einem beim Lesen ganz schön nahgehende und immer wieder schockierende Erzählung durchbricht. Da außerdem immer wieder das Komische noch im Brutalsten seinen Platz einfordert und sich in diesem Buch nicht der Teufel, sondern der traurig-witzige Clown im Detail versteckt, macht einem das die Lektüre zu einem vielleicht nicht leichten, aber keineswegs völlig niederschmetternden Abenteuer, in dem man erfolgreich daran gehindert wird, eindeutige Urteile und Täter-Opfer-Unterscheidungen zu fällen.

Bibliographische Angaben
Harald Martenstein: Wut, Ullstein 2021
ISBN: 9783550201202

Bildquelle
Harald Martenstein, Wut
© 2021 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

bookmark_borderBernhard Jaumann: Turm der blauen Pferde und Caravaggios Schatten

Inzwischen ist schon längst der dritte Band der Krimireihe um die Münchner Kunstdetekei von Schleewitz erschienen (Banksy und der blinde Fleck, vgl. Rezension vom 9.3.2023), höchste Zeit also, eine Besprechung der ersten beiden Fälle hier noch nachzuholen. Denn seit dem ersten Band, Der Turm der blauen Pferde, bin ich ganz begeistert, dass eine neue Krimireihe sich in kurzweiliger und trotz der ernsthaft recherchierten und verhandelten Themen auch in amüsanter Form mit Kunst beschäftigt. Man denkt natürlich sofort an Martin Suters treffliche Allmen-Reihe, doch unterscheidet sich das Milieu, in dem Jaumanns Kunstdetektive ihre Recherchen anstellen, schon sehr von den mondänen Zürcher Kreisen, in denen sich das eigenwillige Herr-Diener-Gespann von Allmen und Carlos bewegt. Zwar führt auch Rupert von Schleewitz, der Inhaber der Münchner Kunstdetektei, ein Adelsprädikat im Namen, doch wohl eher nur der Form halber und als augenzwinkernde Reminszenz des bayerischen an den Schweizer Autor.

Im Turm der blauen Pferde ermitteln von Schleewitz und seine Kollegen in München und im oberbayerischen Land. Ihr Auftrag führt sie weit zurück in die Untiefen der deutschen Geschichte, die auf den verschlungenen Wegen der Vertuschung bis in die Gegenwart reichen, wo sie unter dem Erscheinungsbild der Provenienzforschung nun doch noch ans Licht der empörten Öffentlichkeit gelangen. In den Wirren des zweiten Weltkrieges hatte ein oberbayerischer Bauernjunge in einem Tunnel ein Gemälde entdeckt, das ihn vom ersten Augenblick an faszinierte und in dessen Bann er sein Leben lang gefangen bleiben wird. Eben dieses Gemälde taucht nun im München des 21. Jahrhunderts plötzlich wieder auf — doch ist es auch das Original oder eine ziemlich gelungene Fälschung? Um diese Frage entsteht ein aufregendes Verwirrspiel, das Bernhard Jaumann in einer spannenden, bis zuletzt überraschenden Krimihandlung in Szene setzt.

Der zweite Fall, Caravaggios Schatten, lässt die Detektive ermittlungstechnisch zwischen Potsdam und München pendeln. Ein ehemaliger Schulfreund aus dem Internat überredet Rupert von Schleewitz, gemeinsam mit ihm eine Ausstellung in der Gemäldegalerie von Schloss Sanssouci zu besuchen, wo er wie aus heiterem Himmel, aber gezielt mit einem plötzlich gezückten Messer auf das Gemälde Der ungläubige Thomas von Caravaggio einsticht. Als das Bild kurz darauf zur Restauration mit einem Sicherheitstransport aus dem Museum gebracht wird, wird es gestohlen. Ein Komplott von Kunsträubern, ein abgekartetes Spiel, in das der Bilderstürmer und frühere Schulkamerad nicht ohne Hintergedanken ausgerechnet den Inhaber einer Kunstdetektei hineinzuziehen versucht? Oder handelt es sich um einen privaten Rachefeldzug, der weit in die Schulzeit der beiden zurückreicht? Und welche Rolle spielt darin ihr gemeinsamer Kunstlehrer von damals und die Gerüchte, die es um ihn gab?

Wie im ersten Band lässt Jaumann auch in Caravaggios Schatten wieder verschiedene Akteure einer von vielen unterschiedlichen Leidenschaften und Interessen angetriebenen Kunstszene auftreten, und wieder steht auch diesmal ein Gemälde im Zentrum der Handlung, das nicht bloß ein blasser Aufhänger für eine im Kunstmilieu situierte Intrige ist, sondern auch detailliert beschrieben und wesentlich in die Krimihandlung integriert wird. Die Figuren, die einem im ersten Band ans Herz gewachsen sind, die Mitarbeiter der Kunstdetektei von Schleewitz, werden auch im zweiten Band mit einem liebevollen Schmunzeln für ihre ganz eigenen Persönlichkeiten weiter begleitet und gestaltet, und machen einen wichtigen Grund dafür aus, dass man sich von diesen Kunstkrimis auch so gut unterhalten fühlt. Neben dem schon vorgestellten Rupert von Schleewitz ist der Familienmensch Max Müller, Vater zweier Töchter, vor allem zuständig für die Recherchearbeit im Hintergrund; dabei wird er immer wieder aufgerieben von Loyalitätskonflikten, in die ihn die kleinen und größeren Dramen, die sich zuhause abspielen, auf der einen Seite und das geringe Verständnis auf der anderen Seite stürzen, das seine beiden jungen und ungebundenen Kollegen für seine heimischen Sorgen und Nöte aufbringen. Eine schillernde Figur, die diesmal auch direkt in die Krimihandlung involviert wird, ist der Vater von Ruperts und Max‘ Kollegin Klara Ivanović, ein alternder und äußerst eigenwilliger Performancekünstler, dessen Name sicher nicht zufällig an die serbische Künstlerin Marina Abramović erinnert. Bernhard Jaumann schreibt humorvolle Kunstkrimis, in denen die Kunst wirklich die Hauptrolle spielt — ich bin gespannt, welches Thema aus der vielgestaltigen Welt der Kunst und der Künstler er in seinem vierten Band aufgreift!

Bibliographische Angaben
Bernhard Jaumann: Der Turm der blauen Pferde, Galiani 2021
ISBN: 9783462001488
&
Bernhard Jaumann: Caravaggios Schatten, Galiani 2021
ISBN: 9783869711973

Bildquelle
Bernhard Jaumann, Der Turm der blauen Pferde & ders., Caravaggios Schatten
© 2021 Verlag Galiani Berlin bei Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co KG, Köln

bookmark_borderVolker Weidermann: Mann vom Meer — Thomas Mann und die Liebe seines Lebens

Mann vom Meer ist keine Biographie, aber für den schmalen Umfang doch eine erstaunlich intensive und umfassende biographische Annäherung an einen der größten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Es ist ein literarisches Sachbuch, mit, das muss man wirklich betonen, schönen Sätzen, die den Leser im Vertrauten abholen und gleich weiter ins nicht so Vertraute lenken, in eine von Poesie erfüllte Landschaft, die auch für die, denen Thomas Mann kein Unbekannter ist, auf fast schon zauberhafte Weise anregend neu erscheint. Weidermann richtet den Blick vor allem auf literaturhistorische Zusammenhänge, streut immer wieder auch direkte Zitate aus dem Werk Thomas Manns ein, für deren Lesegenuss man jedesmal gerne das Lesetempo etwas zügelt, und baut auch einige spannende biographische Details in seinen Text, ohne sich in ihnen zu verlieren.

Man erfährt also viel über die literarischen Werke Thomas Manns, oder frischt doch zumindest sein Wissen darüber auf. Geleitet von der Metapher des Meeres hält diese Annäherung an Mann und Werk nämlich die ein oder andere Erkenntnis bereit, verführt zu einem frischen Blick auf den so bekannten Schriftsteller. Besonders spannend ist bei dieser Herangehensweise auch der Fokus, den der Autor auf die weiblichen Figuren in Thomas‘ Manns Leben richtet, allen voran auf seine Mutter, die ihre ersten Kinderjahre in Brasilien verbracht hat, in einer fast paradiesischen Welt am Meer, nach der sie sich ein Leben lang zurücksehnte. Doch nach dem frühen Tod ihrer eigenen Mutter wurde sie ins deutsche Travemünde versetzt, wo sie bei der Verwandtschaft ihres deutschen Vaters aufwuchs. In einer Art Psychologie des Meeres versucht Weidermann den lebenslangen Verzicht und die Sehnsucht der Mutter, die sich ihre eigenen Träume unter dem Druck der Anpassung verwehrte, als ein Vermächtnis auch an den Sohn zu lesen; als einen Stempel, den ihm die Mutter unbewusst aufdrückt, mit dem wiederum auch er sein Leben lang ringen wird. Der Sohn Thomas wird dann über den Weg der Literatur versuchen, mit diesem Vermächtnis umzugehen. Nach den Buddenbrooks, mit denen er seine Familiengeschichte aufarbeitet, gelingt es ihm erst im Zauberberg, in dem er seinen wie er selbst und seine Mutter dem Sog des Meeres verfallenen Protagonisten Hans Castorp in einer eigentümlichen, von Krankheit und Todessehnsucht gesättigten alpinen Bergluft eines Schweizer Sanatoriums einen inneren Kampf ausfechten lässt, zu einer anderen Lebenshaltung zu gelangen. Im Unterschied zu seinem Romanhelden, dessen Wandlung der Ausbruch des ersten Weltkrieges in die Quere kommt, geht Thomas Mann aus der langjährigen Niederschrift dieses großartigen Werkes als — auch politisch — gewandelter, gereifter Schriftsteller und Mensch hervor.

Zu einer Art Gegen- oder vielleicht eher Komplementärfigur der Mutter macht Thomas Mann dann selbst seine Tochter Elisabeth, sein Lieblingskind, der er die Liebe zum Meer weitergibt, die bei ihr aber in keinen Abgrund mehr führt, sondern zu einem der Welt mitsamt ihren lebensspendenden Ozeanen zugewandten, engagierten Dasein. Es ist wirklich spannend zu lesen, wie Weidermann die Metapher des Meeres immer wieder im Werk und auch im Leben des Schriftstellers ausmacht und mit ihr auf sehr einleuchtende Weise Bezüge zwischen Werk und Leben schafft. Mann vom Meer ist ein stilvoll unterhaltsam gestaltetes Buch mit einer nachvollziehbaren und erkenntnisreichen These.

Bibliographische Angaben
Volker Weidermann: Mann vom Meer — Thomas Mann und die Liebe seines Lebens, Kiepenheuer & Witsch 2023
ISBN: 9783462002317

Bildquelle
Volker Weidermann, Mann vom Meer
© 2023 Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co KG, Köln

bookmark_borderMatthias Jügler: Die Verlassenen

Während ich dem Hörbuch zu Matthias Jüglers Roman Die Verlassenen gelauscht habe, fühlte ich mich mehr und mehr an den Kinofilm Das Leben der Anderen in der Regie von Florian Henckel von Donnersmarck erinnert, ähnlich eindringlich, ähnlich schockierend ist die Aufarbeitung eines ähnlich düsteren Kapitels der Geschichte der DDR mit der dramaturgischen und ästhetischen Überzeugungskraft der Fiktion.

Gesprochen wird das Hörbuch von Florian Lukas, dessen ganz leichter Akzent zur ostdeutschen Herkunft des Erzählers passt und der vor allem den Ton der Geschichte, die gefasste, zurückhaltende Emotionalität, sehr gut trifft. Der Erzähler, aus dessen teils kindlicher, teils schon erwachsener Perspektive die Ereignisse durchgehend geschildert werden, nennt sich Johannes Wagner und ist, wie der Autor selbst, Anfang der 1980er Jahre in der DDR geboren. Er erzählt rückblickend, aber sehr präsentisch von der Vergangenheit seiner Familie, die von mehrfachen, dem Jungen von damals unverständlichen Verlusten geprägt ist. In der Rückschau ruft sich der Erzähler verschiedene Szenen aus seiner Kindheit und seiner Teenagerzeit ins Gedächtnis und schlüpft dafür wieder in die Haut des verunsicherten kleinen Jungen, der eher an sich selbst als an den anderen zweifelt. Später wird sich auch der Student inmitten seiner Kommilitonen nie so ganz wohl, so ganz am rechten Platz fühlen, noch später der junge Vater in seinem Eheleben scheitern.

Johannes verliert früh seine Mutter, angeblich ein tragischer Unfall, das Aufwachsen bei seinem nun alleinerziehenden Vater, dessen Traurigkeit er spürt, ohne sie zu verstehen, ist für den Heranwachsenden nicht einfach. Und dann verschwindet auch sein Vater eines Tages, in der Mitte der 1990er Jahre, ganz plötzlich; von einer Geschäftsreise kehrt er nie zurück. Der Junge bleibt von da an bei seiner Oma, bis auch diese stirbt und den jungen Erwachsenen mit einer unaufgearbeiteten Geschichte alleine zurücklässt.

Verlassen, wie es der Titel ankündigt, ist in dieser Geschichte, die, um es nebenbei zu erwähnen, auf der tatsächlichen Lebensgeschichte des Autors beruht, zunächst der kleine Johannes, der seine Verlorenheit und Hilflosigkeit in Tapferkeit zu verwandeln sucht, der immer wieder Hoffnung schöpft, aber sich nie richtig auf andere einzulassen, sich zu binden wagt. Verlassen ist auch sein Vater, wie Johannes viel später klar wird; in einem ihm hinterlassenen Umzugskarton der Eltern findet der bereits erwachsene Johannes einen seltsamen Brief aus Norwegen. Ahnend, dass er hier auf eine bedeutsame Spur gestoßen ist, bricht Johannes in dieses ferne Land im Norden auf. Tatsächlich deckt er dort einen Teil der Vergangenheit seiner Familie und ihres Bekanntenkreises auf, die auf traurige, ja erschütternde Weise kurz vor und nach der Wende noch von der DDR-Geschichte eingeholt wurden.

Ohne an dieser Stelle zu viel zu verraten, sei hier erwähnt, dass es in Jüglers mitreißendem und mitnehmendem Buch um Freundschaft und Verrat geht, aber auch um Politik und Privatheit, um eine fiktionalisierte, aber von der Realität inspirierte Stasi-Operation, die einen vermeintlich staatsgefährdenden Menschen vernichten sollte und seine Familie über mehrere Generationen ins Unglück stürzte. Es geht um die Überforderung der Erwachsenen, um das Schweigen auch gegenüber den Kindern, um Hoffnung, Trauer, Erinnerung, Loyalität und Vertrauen, und nicht zuletzt darum, wie die politischen und menschlichen Verwerfungen in einem Unrechtsregime auch die Generation der danach Geborenen noch aus der Bahn zu werfen vermag. All dies bringt Matthias Jügler in einem eindringlichen und zugleich unaufgeregten Text auf weniger als 200 Seiten bzw. in weniger als vier gelesenen Hörbuchstunden zur Sprache. Berührend, aufrüttelnd und absolut hörenswert!

Bibliographische Angaben
Matthias Jügler: Die Verlassenen, Penguin 2021
ISBN: 9783328601616

Hörbuch: MDR Media GmbH und BUCHFUNK 2021
Gelesen von Florian Lukas
ISBN: 9783868475968

Bildquelle
Matthias Jügler, Die Verlassenen
© 2021 Penguin Hardcover Verlag, München

bookmark_borderZoë Beck: Memoria

Wieder greift Zoë Beck gesellschaftlich brisanten Stoff auf und formt daraus eine spannende Krimihandlung mit durchaus beklemmenden Zügen, so nah ist ihr Near-Future-Szenario wieder an unserer Realität. Während es im Vorgängerroman Paradise City (vgl. Rezension vom 25.9.2020) um ein totalitäre Gestalt annehmendes Gesundheitssystem ging, versetzt sie uns diesmal bereits mit der Eingangsszene — ein verheerender Waldbrand — in eine von den nicht mehr fernen Folgen des Klimawandels in Aufruhr versetzte Welt. Doch Gänsehaut macht vor allem, dass diese Katastrophe in der Welt der Protagonistin Harriet schon fast zu einer neuen Normalität geworden ist. Wie beiläufig erfährt man, dass Temperaturen über 40 Grad nicht zum ersten Mal über die Katastrophenapp angekündigt werden, und auch die sozialen Verhältnisse in Deutschland, wo der Roman spielt, haben sich nun in aller Sichtbarkeit prekarisiert: Harriet wohnt, auch das gehört zur neuen Normalität, obwohl längst erwachsen und berufstätig, in einem kleinen Wohnheimzimmer mit rationierten Strom- und Warmwassertarifen und arbeitet als gelernte Klavierbauerin im Sicherheitsdienst eines Kaufhauses, dessen Waren sie sich selbst, wie auch die Mehrheit der Bevölkerung, nicht im Traum leisten kann.

Durch die eingangs geschilderte Brandkatastrophe gerät Harriet nun in einen Strudel von Ereignissen, die sie in ihre Vergangenheit zurückversetzen und irritierende Bruchstücke von teils widersprüchlichen, teils auch sehr gewaltsamen Erinnerungen wachrufen, die ihr gesamtes gegenwärtiges Leben umstürzen. Harriet beginnt, allem zu misstrauen, nicht zuletzt sich selbst und ihrem eigenen Gedächtnis. Doch mutig, wie Zoë Becks Protagonistinnen es sind, folgt sie auf eigene Faust den Spuren in ihre Vergangenheit und in die tieferen Schichten ihres beschädigten Gedächtnisses. Sie geht von Frankfurt nach München, in die Stadt, in der sie aufgewachsen ist und in der sie als junges Mädchen eine vielversprechende Karriere als Konzertpianistin begonnen hatte; und sie stellt im Umfeld ihres an Demenz erkrankten Vaters Nachforschungen zum Abbruch ihrer Pianistenkarriere und zum Unfalltod ihrer Mutter an.

Was einen außer der spannend konstruierten Geschichte in Atem hält, die man zusammen mit der Protagonistin Seite um Seite und Bruchstück für Bruchstück zu rekonstruieren versucht und die übrigens in der hörenswerten Audiofassung von Milena Karas mit Gespür für den richtigen Tonfall gelesen wird, ist das Geschick der Autorin, gleich mehrere gesellschaftsrelevante Stoffe auf glaubhafte und nachvollziehbare Weise zusammenzubringen. Klimakrise, K.I. und Gedächtnisforschung, Mobbing, Gewalt an Frauen und überhaupt eine beklemmende Auffächerung der verschiedenen Gesichter der Gewalt — auf dem Wege der Fiktion wird deutlich, wie all dies viel mehr miteinander zusammenhängt, als man es auf den ersten Blick vermuten würde. Das ist erschreckend, spannend und nicht zuletzt höchst erkenntnisreich.

Bibliographische Angaben
Zoë Beck: Memoria, Suhrkamp 2023
ISBN: 9783518472927

Hörbuch: Argon Verlag 2023
Gelesen von Milena Karas
ISBN: 9783839820339

Bildquelle
Zoë Beck, Memoria
© 2023 Suhrkamp Verlag AG, Berlin

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